Sonntag, 16. April 2017

Buchreview "Jagger" K. Rufty

Kristopher Rufty. Amy liebt ihren Hund über alles. Er ist ihr Beschützer und bester Freund. Jagger ist zwar riesig, aber lieb und verspielt. Doch das wird sich ändern; denn der hoch verschuldete Loser Clayton will bei Hundekämpfen die fette Kohle machen. Und dazu braucht er dringend einen Hund - einen sehr großen Hund! Clayton weiß, wie man aus einem harmlosen Hund eine Tötungsmaschine macht: Er pumpt den armen Jagger voll mit Drogen und Steroiden und verwandelt ihn in ein blutgieriges Monster, das keinen Schmerz empfindet. Als die durchgedrehte Bestie flieht und durch die Stadt hetzt, zerreißt sie alles, was ihr in die Quere kommt. Jagger ist auf dem Weg nach Hause, zurück zu Amy, denn die hat ihn doch im Stich gelassen.

Clayton scheint am Arsch. Wieder wurde eine Töle bei Hundekämpfen zerfleischt und er schuldet einem fiesen Drecksack noch mehr Geld. Er will sein Glück zu sich zurück zwingen. Dafür benötigt er dringend einen Hund, der sich aufs Kämpfen versteht und kein Zwergpinscher ist. Leichter gesagt als getan. Die im Tierheim nehmen nicht nur Geld für eine Tieradoption, die überprüfen auch das neue Herrchen. Genug Geld hätte er eh nicht, rasselt bei der Prüfung seiner Lebensumstände genauso schnell durch wie dereinst in der Schule. Auch ein Grund, warum er nicht gerade im besten Viertel der Stadt wohnt. Für viele hier wäre die nächste Station unter der Brücke. Doch er hat eine Idee, die ihm sein Kumpel Stan eingepflanzt hat. Hund besorgen, von Stan mit selbst experimentell zusammengestellten Anabolika aufpuschen und schon ist er frei von Schulden. Dass Stan das Zeug so ganz nebenbei auch an die Farmer der Umgebung vertickt, damit die ihre Viehzucht etwas gewinnträchtiger machen können und das Fleisch an die Läden in der Stadt verkaufen, wo es womöglich nach dem Verzehr divese gesundheitliche Schäden bei den Kunden anrichtet, interessiert ihn absolut nada, rien, niente. Fehlt nur noch der Köter. Amy hat einen Hund, der sich eignen würde. Es ist Jagger, der zwar ein häßliches Riesenvieh ist, aber ein ganz lieber - Einschränkung ist aber der UPS-Mann, den mag er nicht. Ansonsten knuddelt er gerne mit Amy, ihrer Freundin Teresa, sogar mit den Nachbarn. Doch dann holt ihn die Realität ein. In Form von Clayton. Der schnappt sich den Hund, bringt ihn zu Freddy, der für Stan die Hunde scharf macht, die Mittelchen verabreicht, aber auch kräftig Schläge mit der Peitsche zum Training austeilt, um den Hund so richtig biestig und blutgierig zu machen. Das ist dann sogar dem Loser Clayton zuviel und er greift Freddy in die Parade. Pech, dass der dann Jagger in die Fänge fällt - und Jagger ist mittlerweile gut abgerichtet. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Das Buch beginnt fast schon idyllisch, auch wenn die Umgebung, in der Amy und Jagger zuhause sind, nicht gerade den Eindruck eines Lebens ohne Sorgen vermittelt. Und so nach und nach werden zwar Amy und Jagger vorgestellt und so richtig zu den Goldielöckchens der Geschichte, aber die Charaktere drumherum zeigen sich schon bald als fiese Egoisten, geile Böcke oder einfach nur Scheißkerle. Und Kristopher Rufty nimmt sich Zeit, das vermeintliche Idyll umgeben von Müll zu skizzieren und obwohl  man weiß, dass dies bald ein Ende haben wird, lässt man sich darauf ein, spekuliert, was die mehr oder weniger seltsamen Nachbarn vielleicht mit der Sache zu tun haben könnten, bis es denn passiert. Und während dieser Zeit schleicht sich dieses namenlose Grauen bedächtig und leise an den Leser heran wie ein schüchterner Dieb in der Nacht. Und wirklich von einer Seite auf die andere schlägt das Wetter bzw. Jaggers Stimmung um und es gibt Fleisch und Gekröse satt. Jagger ist auf Rache aus an allen, die ihn belogen, betrogen und hintergangen haben. Die arme Hundeseele vertsteht das Handeln der Menschen nicht - und gerade die haben ihm das letzte Fünkchen Freundlichkeit aus dem Leib geprügelt. So geht er seinen Weg wie dereinst Charles Bronson - nur dass es jetzt heißt "Ein Hund räumt auf". Naja, ein bisschen "Lassie" mit hohem Gewaltanteil und etlichen wahrlich zerfledderten Körpern und Körperteilen ist vielleicht auch dabei. Jagger kennt keine Freunde mehr und die Zahl seiner Opfer auf dem Weg zu Amy steigt immer weiter. Amy indes zeigt sich auch immer mehr von einer egoistischen und winseligen Seite, ihr Nervfaktor steigt. Fragt sich, wieso ihr die Kerle abhauen. Kein Wunder, wenn sie weitaus mehr Interesse am Haustier hat, denn Freund. Allzuviel Sex kommt in dem Buch nicht vor, ein bisschen Erotik und Gespanne gepaart mit Ekel vor Ü-50-Sex unter Rentnern. Nachdem die freundliche Stimmung zu Beginn des Buches nach und nach fast schon vernichtet wurde, zeigt sich so etwas wie eine brutale Hundedystopie, die wenig Hoffnung aufkommen lässt, dass sich je etwas ändert. Während der Lektüre kann man sich selbstverständlich seine Gedanken über die abgehalfterten Figuren machen, im Kopf ein bisschen "Dueling Banjos" ablaufen lassen und feststellen, dass - abgesehen von Tollwut, Verteidigung oder Revierkämpfen - der Mensch die Schuld an der Verrohung der Tiere trägt (und wenn ich mich heutzutage so umsehe und mitbekomme, was die Erziehung oder die Politik und Konzernauftreten betrifft, auch die Verrohung der menschlichen Rasse). Was mir während der Lektüre aber auch ständig im Kopf rumspukte, was die Frage, ob man noch etwas von Stans Wundermittelchen, das ja an die Farmer der Umgebung und damit auch in die Nahrungskette abgegeben wurde, lesen würde und ob es rabiate Auswirkungen zeigt. War nicht so, aber dann eben als neue Idee in einem zweiten Teil und mit einem Hund namens Swagger - oder so. Tierhorror vom Feinsten, in den man auch Gesellschaftskritik hineinlesen kann, wenn man will. Die zweite Hälfte des Buches hat es so richtig in sich und ist rein gar nichts für Tierfreunde. Die bleiben dann besser bei "Lassie". Unterhaltsam und flott geschrieben und mit einigen Spannungsmomenten sowie Ekelszenen über 440 Seiten auf ne 8/10 getrieben. Und besser als die letzten Tierhorrorfilme um Hunde, die ich mir so angeschaut hab.

Keine Kommentare: