Donnerstag, 26. Januar 2017

Buchreview "Scharfschuss" M. Connelly

Michael Connelly. Orlando Merced, ein mexikanischer Musiker, ist vor zehn Jahren bei einem Open-Air-Auftritt angeschossen worden. Angeblich bei einer Bandenschießerei von einer verirrten Kugel getroffen. Jetzt ist Merced tot (Nein, erhat sich nicht drüber totgeärgert, dass der Verlag schon im Klappentext Fehler nicht bemerkt - hier wird immer Mercer geschrieben - und Orlando eigentlich im Buch Merced heißt.) - von der Kugel in seinem Körper über die Jahre schleichend zu Tode gebracht. Harry Bosch und seine neue Partnerin Lucia Soto vom Los Angeles Police Department glauben jedoch nicht, dass alles nur Zufall war. 

Harry Bosch profitiert noch von der Regelung, dass man altgediente Polizisten, die eigentlich pensioniert sein sollten, über eine neue Regelung mit einem Fünf-Jahres-Vertrag ausstatten konnte und die Leute dann weiterarbeiten ließ. Aber auch diese Zeit neigt sich langsam dem Ende. Und irgendwo muss der Nachwuchs ja her - auch für die kalten Fälle, die bisher nicht gelöst werden konnten. Mit Lucia Soto bekommt er eine besonders junge Kraft an seine Seite, die in den Medien und den Departments schon als Heldin gefeiert wurde, weil sie nach einem Schusswechsel, der ihren Partner das Leben kostete, als einzige der Kontrahenten noch stand. Gangster tot, Soto lebend. Grund genug für ne Menge Lorbeeren - un d sie sucht sich "Kalte Fälle" aus. Bald weiß Harry auch warum - sie mag Autopsien nun mal nur sehr ungern beiwohnen und bei der des Musikers drückt sie sich mit einer Ausrede. Kurze Zeit später macht Harry ihr klar, was er von ihr erwartet. Danach läuft die Zusammenarbeit gut. Mit der Zeit finden sie Hinweise und mit einer kleinen Aktion von Bosch, bei der er Soto außen vor lässt, kommt noch mehr zutage. Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass Merced nur ein zufälliges Opfer war. Nur getroffen, weil das eigentliche Ziel sich im richtigen - oder für Orlando falschen - Moment wegdrehte. Und dieser Mann hat sich selbstverständlich abgesetzt. Dennoch können sie ihn befragen - weit weg in Tulsa. Was sie dort zu hören bekommen, entwickelt sich zu einer Geschichte, die sie in diesem Fall nicht erwartet hatten, obwohl sie für Los Angeles nicht ungewöhnlich ist. So hangeln sie sich von einer Überraschung zur nächsten - und geraten in gefährliche Wasser.

Wer schon einige der Romane um Harry Bosch - und hier auch besonders die in der letzten Zeit - gelesen hat, der weiß, dass er hier keinen knalligen Actioner im Stile eines in seinem Metier wunderbaren Mark Greaney, was der ja beim Festa-Verlag beweisen darf, in den Händen hält. Bosch wird älter, wenn auch nur langsam weiser. Kümmert sich um seine Tochter, ist in Gedanken schon sehr nahe mit dem baldigen Ruhestand beschäftigt, macht aber seine Arbeit nach wie vor akribisch unter etwas freierer Auslegung gewisser Regeln. Seine neue Partnerin als unbeschriebenes Blatt muss nun an seiner Seite lernen. Doch auch für Bosch ist die junge Kollegin gewöhnungsbedürftig. Er, ein echter Verweigerer alles Neuen und sie, die immer auf der Höhe der modernen Zeit ist. Es muss sich erst einmal alles einspielen. Genau wie die gesamte Story. So ist das erste Drittel doch eher nur ein gemächliches Schreiten durch die Seiten der Fallakten, denn wirklich spannungsfördernde Literatur. Doch dann wendet sich das Blatt langsam, es kommt Struktur in die Handlung, die sich immer weiter verzweigt, neue Fährten aufzeigt, die auf früheren gründen und von denen man nie erwartet hat, dass es in eben die beschriebene Richtung geht. Es gibt einige Wendungen zu bestaunen, etwas Misstrauen untereinander und innerhalb der Hierarchie im Department. Wortjongleure und Besserwisser, Neid und Kollegialität - und Spannung gepaart mit etwas Aktion. Das Buch begeistert nicht durch Tempo, sondern durch die Ermittlungsarbeit. Hier ist der Weg das Ziel, nicht via Bleigewitter der Körper des Feindes. Hin und wieder kam mir die altmodische Bezeichnung Krimi für den Roman in den Sinn und nicht die reißerische Thriller. Bosch läuft als TV-Serie bei und von einem dieser Streaming-Dienste und ist mit ihrer ruhigen Art für mich durchaus dazu geeignet eine bestimmte Klientel zu begeistern. Da ich mit Pay-TV oder den Stromern von Streamern nix zu schaffen hab, warte ich dann wohl auf eine Ausgabe auf DVD oder BD. Und bevor ich es vergesse  -  auch wenn der Harry hier nur ganz knapp vor der Verrentung steht, macht er natürlich weiter.

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