Donnerstag, 29. September 2016

Buchreview "2/14" N. Larson

Nathan Larson. 14. Februar: Am Valentinstag ist New York durch eine Serie von Anschlägen zerstört worden. Die Bevölkerung ist dezimiert, die Behörden sind korrupt, außer Kontrolle geratene bewaffnete Einheiten haben die Macht übernommen. Dewey Decimal, der letzte Verwalter der New York Public Library, bewahrt Stil und Haltung, auch wenn er bis an die Zähne bewaffnet ist. Er war einmal Soldat, mehr weiß er nicht, denn seine Erinnerung ist manipuliert. Als er von der Stadtverwaltung auf eine osteuropäische Gang angesetzt wird, beginnt ein Trip durch die apokalyptischen Stadtlandschaften.

New York ist erledigt. Durch die Begebenheit(en) vom 14.2. ist die Bevölkerung auf rund 800.000 geschrumpft, die Stadt im Prinzip zerstört und voller "Mahnmale" a la WTC. Die Luft ist vergiftet, das Wasser dreckig, die Bewohner fast alle Gauner. Gangs machen die Gegend unsicher. Und Dewey Decimal hat sein Domizil in der Bibliothek. Er bewahrt die Schätze des Wissens und ordnet alles nach seinem System. Und er hat einen Job beim Bezirksstaatsanwalt der Trümmer-Metropole. Eine Mischung aus Privatdetektiv und Profikiller. Irgendwie muss der Lebensunterhalt ja verdient werden. Dewey ist eine besondere Gattung Mensch. Die Art, die nichts über ihre Vergangenheit weiß und die ihren Erinnerungen nicht traut, weil die eingepflanzt wurden. Außerdem ist er auch auf die ständige Versorgung mit Tabletten durch den Stadtboss angewiesen. Da erhält er den Auftrag, einen lästigen Ukrainer, der mit seiner Gang die Gegend unsicher macht, zu entsorgen. Gar nicht so leicht. Also verschafft er sich Zutritt zur Wohnung von dessen Frau, während die mit dem kleinen Sohn im Hause ist. Prompt gibt es eine Kugel ins Knie. Er kommt ins Militärkrankenhaus, wird zwar behandelt, haut dann aber wieder ab, weil er denen nicht traut. Jetzt beginnt eine neue Reise durch das Chaos, immer verfolgt von irgendwelchen Figuren, die mal vom FBI sind, mal aus der Ukraine oder gar alte serbische Kriegsverbrecher und ähnliches Gesocks. Da ist es gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten und auch noch ungeschoren aus der Sache rauszukommen.

Er ist schwarz, er ist cool - aber er ist nicht Shaft. Er ist Dewey Decimal. Ein Mann mit System und so einigen Neurosen. Hygiene, stetige Angst vor Keimen, immer sein Handdesinfektionsmittel griffbereit, die Pillen, die ihn ruhig halten, immer in der Tasche. Nur so vermeidet er ein durchdrehen. Dewey bewegt sich in einer Dystopie, in der die genauen Umstände der Zerstörung nur hin und wieder angedeutet werden, aber eigentlich keinen Schluss zulassen, weil Dewey als Erzähler seinem Gedächtnis nicht traut. Es wurde ihm in der Militärklinik eingetrichtert. Was sie ihm nicht genommen haben, ist seine Kunst zu kämpfen und zu töten. Und die soll er im herrschenden Chaos einsetzen. Vom Gutmenschtum kann man sich bei dieser Lektüre gleich veabschieden. Dewey hat seine Grundsätze, aber seine Moralvorstellungen sind für die Verhältnisse des geneigten Lesers doch etwas verquer - und unterscheiden ihn dadurch glücklicherweise von seinen vielen in Romanen verewigten Kollegen. Dewey ist schon ein besonderer Protagonist in einer Welt voller Antagonisten. Hart und kühl, ein Held zwischen Noir und Hardboiled und seinem Hass auf Katzen und so viele andere Dinge. Nathan Larson lässt ihn mit einem feinen Sarkasmus über die Welt nach dem Valentinstag parlieren. Da gibt es die "gutartige postkapitalsitische Militärdiktatur" China, IKEA wird von Dewey als unmenschlich und toxisch geschildert und H1N1 als Niete, da die spätere Super-Flu 2 Millionen Amis umgebracht hat. Ja, die vor dem 14.2. so präsente politische Korrektheit wird mit Begriffen wie postrassisch oder der Frage, ob eine indische Todesgöttin als solche zu bezeichnen nicht schon wieder rassistisch ist ad absurdum geführt. Dewey ist eine fast schon klassische Figur des Noir oder gar des Western. Der Mann ohne Namen oder Der Mann ohne Gedächtnis. Herkunft unbekannt, Profession unbekannt, kampferfahren und eiskalt, wenn es drauf ankommt. Skrupel wischt er beiseite, wenn es sein muss. Ausgestattet mit seinen Spleens und Macken sowie dem grimmigen Humor macht er im mittlerweile hierzulande so sehr vernachlässigten Hard-Boiled-Genre nicht nur eine gute Figur, er kann eine richtige Vorfreude auf das zweite Buch "Boogie Man" wecken. Als dritten Teil bekommt man auch "Zero one Dewey" serviert. 250 Seiten, die es in sich haben. Ein echter Lesegenuss!                          

Keine Kommentare: