Sonntag, 10. Juli 2016

Buchreview "Über ein dunkles Meer" J. Ringo

John Ringo. Ein im Labor gezüchteter Zombievirus hat die Erde nahezu entvölkert. Einige der Überlebenden haben sich zur "Wolf Squadron" zusammengeschlossen und suchen mit gekaperten Booten auf dem Atlantik nach Resten der Menschheit. Steven, seine Frau Stacey und die Töchter Sophia und Faith stehen vor ihrer bisher größten Herausforderung: die Räumung eines Schlachtkreuzers. Wird es ihnen gelingen, die an Bord eingeschlossenen Soldaten zu befreien, bevor sie verhungern oder die Infizierten über sie herfallen?

Weiter geht es mit der munteren Befreiung von Schiffen von ihren zombiefizierten ehemaligen Besitzern und deren Crews. Dass dazu ein richtiger Schlachtkreuzer gehört, wird zu einer Herausforderung für die neuen Herrscher der Welt. Die Truppe muss jeden einzelnen Niedergang sichern, sämtliche Kajüten, Mannschaftsquartiere, Aufzüge, Kombüsen und alle weiteren Ecken, die so ein Kreuzer aufzuweisen hat. Das heißt Zombies bekämpfen und dabei auch noch auf mögliche Überlebende zu achten, die sich vielleicht noch irgendwo verbarrikadiert haben. Und es gibt tatsächlich welche, die sich in Lebensmittelbunkern eingeschlossen haben und nach zuvor aufgestellten Regeln dann auch tatsächlich ausharren konnten, bis die Wolfsquad sie befreien kommt. Allen voran natürlich Faith, die Kampfbiene der Squad. Nach der Befreiung werden - wie schon alle anderen Geretteten zuvor - die Überlebenden nach ihren Fähigkeiten zu den Arbeiten an Bord der Flotte eingeteilt. Wer sich weigert, muss die Schiffe verlassen. Auf ihrem Weg zur Befreiung der Welt von den Untoten kommt man auch zu den kanarischen Inseln, wo man sich kurzzeitig sogar auf den Häuserkampf einlässt, sich dann aber darauf besinnt, dass man sich zuerst mit den Bordkanonen eine breite und blutige Schneise in die Menschenfresser ballern sollte. Gesagt getan. Mehr und mehr kristallisiert sich mit der Zeit heraus, dass man eine neue Hierarchie aufbauen muss und ganz nebenbei einem russischen Kommandeur eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen hat, der damit droht, einen neuen Krieg gegen die amerikanisch geführte Flotte anzuzetteln.

Dass ich gegen  Geschichten mit der Überschrift "Dialog in Blei" und das verbunden mit dem gerne genutzten "America First" nichts einzuwenden habe, ist ja mittlerweile bekannt. Doch die Grenze des Erträglichen ist irgendwie fließend. Hat mich dereinst Patrick Robinson mit seinen späteren Romanen ordentlich vergrätzt, schafft das John Ringo in dieser Reihe leider auch. Es ist zwar das einzige größere Manko, aber das hat es in sich. Deshalb stelle ich es vorne an. Wenn man als Leser Hauptpersonen des Romans regelrecht zu hassen beginnt, ist das kein gutes Zeichen. Hier ist es die Familie mit Führeranspruch (die Wortwahl ist beabsichtigt) namens Smith und ihre "Wolf-Spitznamen". Besonders die 13-jährige Blage Faith geht mir derart auf den Sack, dass ich es kaum in unzensierten Worten beschreiben kann. Die dumme Bunz kann alles, darf alles und ist absolut waffen- und blutgeil. Hüpft mit ihren Knarren wild herum, grölt dabei Rocksongs und ballert Zombies ab. Militärische Disziplin - Nada!! Erziehung dürfte da eh nie existiert haben. Wenn John Ringo das wenigstens etwas ironisch inszeniert hätte, wäre es vielleicht erträglich geworden, aber so leider nicht. Ich hab mir tatsächlich vorgestellt, wie ein Edward Lee das durch den Kakao gezogen hätte. Moppel meint zu tanzen, erschüttert aber nur den Kreuzer, ballert mit der Kanone in der Linken auf die Zombies und spielt mit dem Revolver in der Rechten "Russisch-Mösen-Roulette". DAS in typischem Lee-Style formuliert hätte wohl für mindestens einen Schmunzler gesorgt. Da der Rest der Familie kaum besser ist  und gegen Ende dieses Buchs auch noch eine Ordensselbstbeweihräucherungsorgie sondergleichen kommt, kotzen mich diese Figuren leider nur an. 

Bevor ich jetzt nur meckere, zum guten Teil des Buches: Es ist eine gelungene Mischung aus Action und militärischer Ordnung. Planen, Organisieren, Regeln aufstellen, Hierarchien schaffen - die ganze Palette, die man für ein geregeltes Leben nach der Apokalypse und zur Befriedung und Befreiung der Welt von Ungemach so braucht. Das gehört dazu, ist wichtig für den Aufbau einer neuen Zivilisation. Um aber eine solche aufbauen zu können, müssen Schiffe erobert, die Untoten vernichtet und Inseln befriedet werden. Dazu braucht es Kämpfer, massenweise Munition und den Mut der Verzweiflung. Diese zweite Buch von insgesamt vier erscheint irgendwie wie eine Vorbereitung auf die entscheidenden Schlachten, die auf die Menschheit zukommen, die selbstverständlich unter amerikanischer Führung in alter Stärke glänzen soll. In Häuserkämpfen und unter Dauerbeschuss werden Inseln geräumt, Schiffe geleert und neu bemannt, Widrigkeiten einfach beseitigt. Widerspenstige Charaktere werden zügig auf Linie gebracht, andere Meinungen zwar gehört, aber mit Argumenten überstimmt. Ja, die Figuren. Sie sind alle (Ausnahmen sie oben) perfekt in ein Actionszenario eingepasst, das nicht viel Platz für menschliche Faktoren lässt. Hier ein bisschen Intrige, dort ein spinnerter Russe, dazu viele Mitläufer oder Befehlsempfänger. Lange Zeit lassen es die Protagonisten und ihre Anhänger oder Kameraden krachen, dass die Fetzen fliegen. Hauptsächlich Zombiefetzen. Blut spritzt, Wände und Kabinen werden tiefdunkelrot eingefärbt. Es gibt auch zu betrauernde Verluste, aber die halten sich in gewissen Grenzen und Gefühlsduselei hat in diesem Roman wie auch im Vorgänger eher wenig Platz. Gut so, Geflenne in derartigen Stories ist nur ein Hemmnis im Lesefluss. Einerseits waffenstarrende und krachende Military-SF mit einigen Redneck-Figuren im Kampf gegen Feinde der Nation, die hier in Zombieform antreten, um Amerikas Anspruch auf die Weltherrschaft zu unterminieren, andererseits medizinische und soziales Verhalten begründende Abhandlung eingebettet in die (Zombie-)Apokalypse und ein gewisses Wunschdenken. Manchmal etwas zu "verquasselt", aber im Endeffekt gut unterhaltender, schneller und blutiger Zombie-Reißer mit Tendenz nach oben, was die Action angeht. Der Finalkampf wird in den folgenden Büchern kommen. Bin gespannt - und auch bereit die eingangs erwähnten Nervensägen zu ertragen.

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