Freitag, 15. Juli 2016

Buchreview "7 Tage der Rache" P. Senecal

Patrick Senecal. Bruno Hamel ist 38 Jahre und Chirurg. Er wohnt mit seiner Frau Sylvie und der sieben Jahre alten Tochter Jasmin im eigenen Haus. Wie viele glückliche Menschen führt er ein unauffälliges Leben. Bis Jasmin an einem schönen Herbstnachmittag vergewaltigt und getötet wird. Nach diesem Ereignis zerfällt Brunos Leben. Als der polizeibekannte Kinderschänder gefasst wird, lässt Bruno ihn bei einem Transport kidnappen. Bruno will ihn für seine Tat sieben Tage lang büßen und leiden lassen, dann soll er sterben. Sieben Tage Rache. Sieben Tage Folter. Sieben Tage, in denen das Opfer zum Täter und der Täter zum Opfer wird.

Als Bruno Hamel seine Tochter durch einen Kinderschänder verliert, bricht seine Welt zusammen. Als er dann auch noch erfahren muss, dass der auf schuldig plädierende Täter höchstens 25 Jahre hinter Gitter muss, bei guter Führung möglicherweise gar nur 15, fehlt ihm jegliches Verständnis. Sein Hass gewinnt überhand. Er heckt einen perfiden Plan aus. Von einem Bekannten weiß er, dass dieser eine abgelegene Hütte hat und wo dort der Schlüssel liegt. Sein Bekannter kommt so gut wie nie dorthin und somit scheint es da auch sicher zu sein. Dann heuert er einen Kerl an, der ihm einige Vorrichtungen bauen soll und erläutert ihm auch die Zahlungsweisen und -bedingungen. Obwohl etwas misstrauisch, nimmt der Mann an, da er das Geld - und es ist ein echt hoher Betrag - dringend braucht. Jetzt muss Bruno nur noch den Mörder seiner Tochter in die Finger bekommen. Um dies zu bewerkstelligen, benötigt er einen weiteren Helfer, nimmt aber selbst auch an der Aktion teil. Während des Transports vom Knast zum Gericht entführt Bruno seinen Todfeind und nimmt ihn mit, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen. Und die verheißt in diesem Falle keinen schnellen Tod. Er will den Kerl leiden lassen, ihn sadistisch quälen - und Geständnisse aus ihm herauspressen. Unterdessen sucht die Polizei fieberhaft nach dem Entführer und seinem Opfer, während in den Nachrichten über beide berichtet wird. Aber auch etliche Demonstranten macht sich auf den Weg zum Gerichtsgebäude. Die eine Seite als Unterstützer von Bruno, die anderen predigen Pazifismus. Doch all das interessiert Bruno nicht. Er will aber auch nichts mehr in den diversen Sendungen der Tv-Kanäle über den armen Mann hören, den er in seinem Gewahrsam hat. Nichts über dessen schwere Kindheit und so einen Schwachsinn. Also tätigt er einen Telefonanruf und macht klar, dass bei weiteren Sendungen über diesen Mistkerl die Leiden des Mannes nur noch schlimmer werden. Indes erzählt die Lebensgerfährtin von Bruno der Polizei eine Geschichte, die zumindest indirekt mit Brunos Reaktion zu tun haben könnte. Wird Bruno tatsächlich 7 Tage lang den Mann foltern, den er in seinen Händen hat? Oder wird er ihn töten? Vielleicht doch der Polizei ausliefern? 

"7 Tage der Rache" hatte mit mir das gleiche Problem wie vor kurzer Zeit auch "Mitternachtsmesse" von F. Paul Wilson: zuerst die Verfilmung gesehen, die absolut mies war und dann auf die Lektüre verzichtet. Wieder erwies sich dies als Fehlentscheidung. Das Buch ist um Längen besser und ich kann nicht verstehen, wie man dem Buch in so mancher Rezension die Fehler (Auch wenn es etliche sind) des Films ankreiden kann. Natürlich war es von mir ähnlich deppert, bis jetzt auf das Buch zu verzichten. Patrick Senecal hat einen simplen und recht flotten Schreibstil, der sich unheimlich leicht lesen lässt. Man kommt nicht ins Stocken, er hält sich auch kaum mit Nebensächlichkeiten auf. Keine Schachtelsätze oder ausufernde psychologischen Einschätzungen durch sogenannte Experten, sondern alles kurz, knapp und klar auf den Punkt gebracht. Er zeigt am Beispiel Bruno, wie es einen Menschen verändern kann, wenn ihm alles, was er je geliebt hat, plötzlich genommen wird. Bruno ist sein Leben von einer Sekunde auf die andere völlig egal. Und was das dann mit seinem Umfeld, seiner Gefährtin, seinen Freunden und Verwandten macht, ist ihm ebenso völlig schnuppe. Und genau diese Frage ist es, die den Leser in diesem sehr harten Psychothriller nun beschäftigt: Wie würde ich reagieren? Dass dies ein kontroverses Thema ist, zeigt Patrick Senecal auch im Buch auf. Sind die Gesetze streng genug? (Und hier ist noch  nicht einmal berücksichtigt, dass ein Sohnemann aus reichem Hause NOCH milder abgeurteilt würde, als es dem aktuellen Täter blüht.) Würden Gesellschaft und Gesetzeshüter Verständnis aufbringen? Tja, auch die Freunde von der Presse bekommen ihren Auftritt. Nach Sensationen heischend, aufdringlich, Privatsphäre missachtend und manipulativ bis nahe zur Lüge. Auch hier gilt: Die Presse lügt nicht, sie formuliert nur manipulierend im eigenen oder dem angeordneten Sinn. Und die Demonstranten? Da sind die Pazifisten mal wieder die Lustigsten - gegen Gewalt protestieren und wenn sie ihren Kopf gegen andere Meinungen nicht durchsetzen können, gewalttätig reagieren. Die Figuren neben Bruno in diesem Buch sind allesamt quasi Randerscheinungen. Sogar der eigentliche Auslöser dieses ganzen Dilemmas, der sich dann doch nur sehr früh und bevor ihm außer ner ordentlichen Backpfeife noch gar nichts passiert ist, in ein wimmerndes Häufchen Elend verwandelt. Schon so oft gelesen oder in Filmen gesehen, dass es fasst schon als Klischee durchgeht. Ach ja, die böse Mami, der böse Papi und die schwere Kindheit. Gewinsel, das der Presse nur mehr Futter geben würde, könnte sie es hören. Doch genau das vermeidet Bruno ja, er will nicht, dass man den Typen als einen Menschen darstellen kann. Möglicherweise würde das dann sogar ihn selbst in seinem brutalen Tatendrang bremsen oder viellecht stoppen. Und wie können diese TV- und Printfiguren es vor sich selbst verantworten, immer wieder irgendwelche Verbrecher noch zu bemitleidenswerten Personen zu machen, ja, gewisse Typen sogar zu Stars zu erheben, nach deren Verbrechen sogar Filme gedreht werden und die dann sogar noch Tantiemen kassieren können? Das muss im Falle Bruno grundsätzlich vermieden werden. Ihm selbst ist sein Schicksal egal, aber das des Kinderschänders kann er beeinflussen - und das tut er mit aller Konsequenz. "7 Tage der Rache" jedenfalls ist ein äußerst lesenswertes Buch, das zwar etliche sehr derbe Härten aufweist, aber dennoch mehr Tiefgang hat als so mancher hochgejubelte Roman des Jahrzehnts, den uns die Verlagslobby, Kritiker oder wer auch immer mit schier unüberschaubaren Werbemaßnahmen unterjubeln wollen. Wer also gerde auf der Suche nach einem psychologischen Thriller ohne ausschweifendes Blabla ist und so einige gröbere Passagen ertragen kann, der sollte hier zugreifen. Es lohnt sich.

Keine Kommentare: