Donnerstag, 24. März 2016

Buchreview "Der Gerechte" J. Grisham

John Grisham. Sebastian Rudd ist kein typischer Anwalt. Seine Kanzlei ist ein Lieferwagen, eingerichtet mit Bar, Kühlschrank und Waffenschrank. Er arbeitet allein, sein einziger Vertrauter ist sein Fahrer, der zudem als Leibwächter und Golfcaddie fungiert. Sebastian Rudd verteidigt jene Menschen, die andere als den Bodensatz der Gesellschaft bezeichnen. Warum? Weil er Ungerechtigkeit verabscheut und überzeugt ist, dass jeder Mensch einen fairen Prozess verdient.

Sebastian Rudd hat seine Kanzlei tatsächlich in einem Van und einen Fahrer, der auch als Bodyguard und als Kumpel fungiert. In seinem ersten Fall des Buches soll er einen Jungen verteidigen, den die ganze Stadt schon schuldig gesprochen hat und der kein faires Verfahren erwarten kann. Der Junge ist einer der Außenseiter, die nicht aussehen wie es die Masse gerne hätte, die von den Medien und der Werbung vorgegaukelt bekommt, was normal zu sein hat. Der Junge hat keine Chance. Doch Rudd will sie ihm geben. In einem weiteren Fall geht es um einen Schwerstkriminellen, den Rudd verteidigt  hat und der kaum um die Todesstrafe herumkommt. Noch während der Anwalt bei seinem Mandanten in Knast ist, gibt es in der Stadt an unterschiedlichen Orten Explosionen. Der Verdacht, dass sein Mandant dahintersteckt, wird dadurch genährt, dass es Gerichtsgebäude und andere Orte trifft, die mit der Verurteilung des Gangsters zu tun haben. Ein ganz perfider Fall ist der, in welchem die Polizei mit einem Schweraufgebot eines SWAT-Teams das Haus eines Ehepaars stürmt, bei der Gelegenheit vorgeht wie bei einem Terroreinsatz und die Frau des Hauses sowie die Haustiere tötet, den Mann schwer verletzt und das Haus beschädigt. Problem 1: Es war das falsche Haus. Problem 2: Der Mann hat sich im Glauben, dass er überfallen wird, mit einer Schusswaffe gewehrt und einen der Eindringlinge leicht verletzt. Leider existiert ein Gesetz, das den Mann auch dann bestraft, wenn er sich nur gewehrt hat. Weil er einen Polizisten angeschossen hat. 

Zum Klappentext hatte ich schnell die Vermutung, dass man hier klar auf den Erfolg von Michael Connellys "Lincoln Lawyer" zielte und zudem den Herrn Anwalt als einen hehren Kämpfer für das Recht darstellen wollte. Ob das in der Absicht des Autors lag oder nur des veröffentlichenden Verlages, ist mir nicht bekannt. Doch während die erste von verschiedenen Geschichten, die wie einige Anekdoten aus dem Arbeitsleben eines Anwaltes skizziert sind, ihn auch wirklich noch als einen Mann erscheinen lässt, der diesem armen Jungen sein Leben retten will, während er von allen schon verurteilt und durch die Medien getrieben wurde, wie ein Teufel in Menschengestalt. Hier geht es wirklich um Gerechtigkeit. Schon der zweite Fall ist anders konzipiert. Auch wenn der Gangsterboss ebenfalls ein Recht auf anwaltliche Vertretung hat, ist Mr. Rudd hier auch auf reichlich Geld und Ruhm aus. Diesen erhofft er sich besonders vom Fall des Mannes, dessen Haus gestürmt wurde. Hier agiert Rudd wie einer dieser Schadenersatzaasgeier, die in Krankenhäusern auf Unfallpatienten lauern, um einen Prozess führen zu können und die Verletzten noch auf den Bahren ansprechen. Und beim Prozess seines MMA-Proteges wird ganz deutlich, dass hier der Eigennutz regiert. Sympathieträger ist Rudd nur bedingt. Aber das unterschiedet ihn auch von den vielen - nicht allen - Heroen in der Schriftstellerlaufbahn des John Grisham. Nach zu vielen belanglosen Geschichtchen über Pro-bono-Junganwälte, die alle so gut, lieb, nett und sympathisch waren und denen er zumeist nur mit einem kleinen Fall, der als Thriller aufgebauscht wurde, ohne solche Elemente zu enthalten, und viel Lokalkolorit plus extrem polierten Nichtigkeiten zu 450 Seiten Desinteresse auf Seiten des Lesers verhalf, ist Rudd in "Der Gerechte" zwar nicht gerecht, aber eine Figur mit Ecken und Kanten, eigensinnig, egoistisch und von sich eingenommen. Einer, der sich nicht scheut, sich die Finger schmutzig zu machen, aber auch einer, der Angst hat, dass einer seiner unterlegenen Mandanten oder die bloßgestellte Polizei auf Rache aus sind. Und je weiter man als Leser in dem Buch vorankommt, umso mehr erfährt man über irrsinnige Gesetze, Vertuschung, Korruption (und dass auch Herr Anwalt sich dieser Mittel durchaus bedient, um zu gewinnen), Drohungen und Eischüchterungen, Vorteilsnahme und Ignoranz, Vorurteile und auch Rassismus. Es entstand für  mich zwar der Eindruck, dass hier zugunsten des Protagonisten in Boulevard-Presse-Manier einige seiner Gegner überzogen schlecht dargestellt wurden, sodass dieser trotz eigener Mängel und Verfehlungen immer noch als einzig Gute in diesem Roman wirkt, doch gerade der Prozess gegen den Hausbesitzer zeigt die Perversität mancher US-Gesetze und wie die Justiz und die Polizei ihre Fehler vertuschen wollen. So ist die erste Hälfte von "Der Gerechte" im Flug konsumiert, so schnell wie schon lange kein Grisham mehr und so interessant, dass man es kaum glauben mag, dass es gerade dieser Autor ist, der diese Story verfasst hat. In der zweiten Hälfte lässt es etwas nach, geht man zu sehr in die Privatangelegenheiten und Problemchen des Anwalts. Familienleben und Ehezwist, das bekannte Blabla blitzt hie und da auf. Doch es bleibt nicht lange so. Die Fäden werden weitergeführt, die Fälle neu verhandelt und Rudd muss der Polizei helfen, ein entführtes Mädchen zu finden und bringt dabei seinen Sohn in Gefahr. Das hält das Interesse an dem Buch weiter wach, die Spannung bleibt erhalten. Nicht jede Lösung ist am Schluss die optimale und der Ausklang lässt Möglichkeiten für ein weiteres Buch um Sebastian Rudd offen. Für mich der temporeichste, unterhaltsamste und somit auch beste John Grisham seit langen Jahren. Zwar werde ich bei diesem Genre weiterhin John Lescroart und Michael Connelly vorziehen, aber Grisham hat den Abstand sichtlich verkleinert. Wer den Autor bisher geschätzt hat, wird hier auf alle Fälle bestens bedient. Und ich wandere dann wieder zu Philip Kerr, der Fußballern den Spiegel vors Gesicht hält und danach zu meinen favorisierten Action- und Horrorschinken. Nicht dass jemand auf die Idee kommt, ich würde Bücher mit einem gewissen Anteil an Niveau lesen. Ich hab schließlich nen schlechten Ruf zu verteidigen.

2 Kommentare:

Brice hat gesagt…

Ah das klingt als könnte ich mir auch mal wieder einen Grisham zulegen. Wobei ich auch noch den lesen wollte wo irgendein Anwalt im Knast sitzt. An Lincoln Lawyer habe ich bei der Inhaltsangabe aber auch direkt gedacht.

Anonym hat gesagt…

Du meinst dann wohl "Das Komplott"? Der ging auch okay. "Die Erbin" liegt noch hier. Meiner Frau gefiel es, aber das hat nix zu bedeuten. Wann ich das angehen kann, weiß ich nicht.

Gruß
Harry