Dienstag, 22. Dezember 2015

Buchreview "House of rain" G. Gifune

Greg Gifune. Gordon Cole ist ein müder, einsamer alter Mann. Während er den Tod seiner geliebten Frau Katy betrauert, droht er im Albtraum seiner schrecklichen Vergangenheit zu ertrinken. Als der Regen beginnt und die Stadt durchtränkt, begreift Gordon, dass er sich seiner Vergangenheit stellen und das dunkle Geheimnis lösen muss, das ihn seit fast fünfzig Jahren verfolgt.

Gordon lebt in einer ziemlich herunter gekommenen Gegend. Seit seine Frau Katy verstorben ist, interessiert ihn das gesellschaftliche Geschehen wenig bis gar nicht. Er hat seinen Stammdealer, der ihm den Stoff für das Vergessen liefert und hin und wieder seinen einzigen Freund Harry, um über seine Probleme zu reden. Er erzählt seinem Kumpel von seinen Visionen, seinen Albträumen, die ihm das Leben so schwer machen und ihn die Grenzen zwischen Realität und Wahn verschwommen wahrnehmen lassen. Gordon sieht immer wieder Bilder einer anderen Frau in einer Welt, die er vor etlichen Dekaden hinter sich gelassen glaubte. Ein Motel in Vietnam wird zu seiner tragischen Erinnerungen an etwas, das immer nur in diffusem Licht in seinem Kopf erscheint, ein Vorfall, den er nicht zuordnen kann, der ihn aber langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt. Und irgendwann sieht er von seinem Fenster aus, wie einige jugendliche Rowdys einen wehrlosen alten Penner am Boden mit Schlägen und Tritten traktieren - und geht nicht nach draußen, um zu helfen. Bis irgendwann in der Dunkelheit der Regen einsetzt. Ein Regen, der ihn gemeinsam mit seinen unbegreiflichen Visionen vor die Tür treibt. Ihn trotz der Warnung vor der unsicheren Gegend durch seinen Dealer in die Höhle der jungen Löwen treibt.

"House of rain" ist eine Novelle von Greg Gifune, die sich um Schuld dreht. Kann ein Mensch mit einer grauenvollen Tat leben, die er einst begangen hat? Kann er die Erinnerung daran, die Angst vor Sühne, die irgendwann kommen muss, überwinden und einfach dankbar für die Zeit sein, die er bis zu ihrem Tod mit Katy verbringen durfte? Greg Gifune hat hier keinen blutrünstigen Amokläufer auf den Leser losgelassen, der in seinem Wahn wahllos Menschenleben vernichtet oder zumindest ruiniert, sondern einen psychologischen Konflikt mit der eigenen Schuld, der unlösbar scheint, zu Papier gebracht und den Horror auf eine intellektuelle Stufe gehoben, die ihresgleichen sucht. Bisher konnte niemand das Grauen der eigenen Gedanken derart wiedergeben wie dieser Autor (auch nicht der von vielen ja so bewunderte Stephen King), den ich mit dieser Novelle zum ersten Mal in meiner langen Liste der verschlungenen Bücher auflisten kann. Ein kopflastiges Trauma über das Altern, über die Einsamkeit und über Auswüchse der heutigen Gesellschaft, wo ein Menschenleben niemandem mehr etwas bedeutet. Die Jugend will die Alten loswerden und hätte noch dazu liebend gerne ohne Aufwand sofort alles auf dem Präsentierteller, das sie sich erträumen, die Regierung und die Konzerne berechnen die Menschen nur noch nach ihrem Wert für sich selbst. So kommt es dann auch zu derartigen Ungerechtigkeiten, dass man Solidarität zugunsten der Wirtschaftsinteressen verschiebt. Die armen Streuner mit ihren jungen Jahren könnte man ja noch in die Erwerbs- und Effektivitätsberechnung anhand einer gewissen Produktivität einfließen lassen, die Alten, die für ihren Ruhestand geackert haben, die vielleicht sogar für ihr Land gekämpft haben, lässt man mit ihren Sorgen und Ängsten alleine. Nur so kann es dann dazu kommen, dass sie sich der Gesellschaft verschließen, die sie anscheinend eh nicht will und alleine in der Dunkelheit über Vergangenes brüten, das sie nicht mehr ändern können. Dass sie sich gedanklich selbst zerfleischen und in eine immer düsterere Welt hineinversetzen, die unweigerlich zu einer Katastrophe führen muss. Ein traurig stimmendes menschliches Drama, das den Leser sicher nachdenklich zurücklassen dürfte. Bei mir hat dieses atmosphärisch dichte Wewrk zumindest diese Wirkung gehabt.

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