Dienstag, 12. Mai 2015

Buchreview "Der Zirkel der Macht" B. Eisler

Barry Eisler. Folter. Inoffizielle Gefangene. Eine massive Vertuschung, die bis heute andauert.
Ben Treven ist ein Veteran der schwärzesten aller schwarzen Geheimeinsätze. Nach einer Kneipenschlägerei mit tödlichem Ausgang strandet er im Gefängnis von Manila – bis er Besuch von seinem ehemaligen Kommandanten Colonel Scott Horton erhält, der ihm den Preis für seine Freilassung nennt: Er soll Daniel Larison finden und eliminieren, einen abtrünnigen Agenten, der zweiundneunzig Foltervideos der CIA gestohlen hat und damit die US-Regierung erpresst.
Doch Ben ist nicht der Einzige, der hinter den Videos her ist. CIA-Todeskommandos und Blackwater-Söldner trachten ihm nach dem Leben, und er bekommt den langen Arm des Weißen Hauses zu spüren. Dann ist da noch Paula Lanier, eine clevere, sexy FBI-Agentin, die die Videobänder aus ganz eigenen Gründen haben will und entschlossen ist, sie vor Ben in die Hand zu bekommen. Der Einsatz ist hoch, und alle Beteiligten haben verborgene Motive. Wenn Ben überleben will, muss es ihm gelingen, die richtigen Allianzen zu schließen.

Ben Treven ist ein Veteran, der von Frau und Kind getrennt lebt, da seine Frau seinen Job uns sein Verhalten einfach  nicht mehr ertragen konnte. Nun hat er sie in Manila aufgestöbert, kann aber seine Tochter nicht sehen und wird von seiner Ex mal so richtig abgefiedelt, dass es ihn danach nur nach einer kleinen Zoff gelüstet. Und so ist Ben denn auch gepolt. Er geht nicht aus dem Hotelzimmer, um frische Luft zu schnappen, sondern in die übelste Kneipe im Fotzenviertel der Stadt und bechert sich
fröhlich zu während er fiese Blicke um sich wirft. Er weiß, seine Armyfrisur und der kräftige Körperbau locken Großmäuler an. Prompt sind drei australische Seeleute auf Landgang dumm genug, einen Streit zu beginnen. Am Ende liegen wzei im Krankenhaus, einer ist tot und Ben im versifften Knast von Manila. Nach einigen Tagen der Besinnung, falls man das bei Ben so nennen kann, kommt Commander Horton, genannt Hort. Eindeutig als früherer Kommandeur des Elite-Soldaten Ben zu identifizieren. Der holt Ben raus, wenn er einen bestimmten Job übernimmt. Was kann schlimmer sein, als ein Knast im hintersten Winkel der Welt, wo Recht und Gesetz fast genauso missachtet werden wie in den USA? Also sagt Ben zu. Werden die Amis in Person ihrer Regierungsfuzzis doch tatsächlich von einem ehemaligen Folterknecht, auch Mitarbeiter genannt, um 100 Millionen erpresst, weil der clevere (also eine sehr seltene Spezies in Amerika) Bursche sich einiger Foltervideos aus geheimsten Geheimgefängnissen bedient hat und diese bei Nichtzahlung der Öffentlichkeit als den neuesten Blockbuster direct to TV präsentieren will. Den Namen des gebildeten US-Bürgers kennen die rivalisierenden Geheimdienste schon, sind aber zu blöd, ihn aufzutreiben. Zudem ist es besser, einen Außenstehenden zu involvieren, den kann man nämlich dann leicht und locker ebenfalls entsorgen. Ben macht sich auf die Socken und interviewt die Gattin des Verschollenen. Die kann ihm nur sagen, dass sie einen Privatdetektiv angeheuert hat, der aber nur wenig Erkenntnisse liefern konnte. Beim Verlassen ihres Hauses fallen Ben zwei Typen auf, die mit Sicherheit zu einem dieser Dienste aus der Buchstabensuppe gehören. Während er die einzuorden versucht, läuft eine Joggerin vorbei, die anscheinend mnit der Sache nichts zu tun hat. Er wartet, bis sie vorbei ist und gedenkt den Figuren, die sich als Fibbies herausstellen, zu zeigen, wie sehr seine Fäuste deren Kinnpartien schätzen. Bis, ja bis von hinten eine weibliche Stimme ihm befiehlt, dass er gefälligst die Griffel hochzunehmen hat oder ansonsten künftig in einer anderen Stimmlage singen würde. Tja, unvorsichtig gewesen: Die Joggerin gehört ebenfalls zum FBI. Nach einem längeren Wortwechsel einigt man sich darauf, dass Tusnelda Negro namens Paula mit ihm zusammen an dem Fall arbeitet und dafür sorgt, dass die 100 Millionen in Diamanten nicht ausgezahlt werden müssen. Flugs geht es zu dem von der Frau des Erpressers erwähnten Privatdetektiv, der ihnen mitteilt, dass ihr Schurke sich nach Costa Rica verpisst hat, um dort seinen schwulen Neigungen nachzugehen. Aber erst nachdem er zwei vom Detektiv und dessen Freund im Land angeheuerte Schläger umgelegt hat. Die Sache wird gefährlicher - und wer weiß, was auf den Videos ist, kann sich denken, dass es dabei nicht bleibt. Zu den Folterknechten gehörten auch angeheuerte private Sicherheitstruppen wie Blackwater und Konsorten, sodass die Angelegenheit peinlich für Regierung und Privat(killer-)wirtschaft werden kann. Wie gefährlich erfahren sie, als sie das dortige Domizil des Erpressers finden, denn es ist schon umzingelt.

Bücher und Serien. Es ist echt ein Kreuz. Hab ich gedacht, dies wäre ein Stand Alone oder der Beginn einer neuen Reihe, sah ich mich schnell getäuscht. Ben Treven und Bruder Alex (hier nur am Rande erwähnt) traten schon in "Todescode" (hab ich natürlich nicht) in Erscheinung und zumindest Ben wird auch in "Die Einheit", die nach "Der Zirkel der Macht" erschien, zusammen mit dem anderen Heroen Rain auftreten, der hier auch nur mal ganz kurz namentlich genannt wird. Zu Beginn des Buches gibt es mit der Kneipenschlägerei einen kurzen Gewaltausbruch, danach entwickelt sich die Story mehr zu einem Krimi den zu einem Thriller oder gar Actionthriller. Wie man es aus etlichen Serien und Romanen kennt, hechelt der Protagonist hinter Spuren her und versucht Puzzleteile zusammenzusetzen - und damit er nicht so einsam ist, bekommt er weibliche Begleitung, die selbstverständlich für Ärger zuständig sein wird (Frauen eben). Mit der Zeit zeichnet sich aber ein Bild, das sich schwer von dem unterscheidet, das die nach eigenem Verständnis beste Weltpolizei ever von sich hat und auch liebend gerne in die weite Welt hinaus posaunt. Die Videos könnten das von anderen erwartete (auch den Terroristen oder Putin und so einigen Europäern) schlechte Image der Nation von Gottes Gnaden mehr als nur bestätigen. Bevor der Autor aber so richtig ans Eingemachte geht, gibt es noch eine duerchaus flotte Actionsequenz, die dann leider in den schon fast klischeehaften unbedeutenden Paniknachtraumasex mündet, der kreuzüberflüssig ist. Dass die Trine Ben nur benutzt, ist von Anfang an klar, da hätte es dieser Show nicht bedurft. Und dann kommen die Klarheiten, die Worte der Offenlegung eines eh nicht mehr geheimen Geheimnisses. Die Amis sehen sich als "Rechtsstaat" ohne zu merken, dass das "Rechts-" in dem Wort mit Recht und Ordnung nicht mehr viel zu tun hat, sondern eher eine politische Zielrichtung ist, die man schön schwafelnd hinter einer Menge alternativer Wahrheiten verbirgt. Da werden die Charaktereigenschaften unbequemer Zeitgenossen schon bald in Boulevardblatt-Manier breitgetreten und verfälscht. Hat man Hobbys ist man Einzelgänger, wer nen Porno guckt ist pervers, wer mal mit nem Psychologen gesprochen hat, ist plötzlich Psychiatriepatient, wer alleine lebt oder geschieden ist, hat keine soziale Kompetenz usw. Billigste Machart von Politik und natürlich den Medien, die man eh schon im Griff hat. Und je länger man liest, umso mehr entwickelt sich "Der Zirkel der Macht" zu einer einzigen, riesigen Anklage gegen die USA und ihr Weltmachtgehabe, wird immer mehr ihrer Schacherei mit der Wirtschaft aufgedeckt, was schon bis hin zum Marshallplan zurückgeht, der nur dazu da war, den Amis wieder neue Kunden zu generieren und nicht dem Wiederaufbau Europas diente. Andere Länder sind denen schon lange egal. Milliarden an Israel, damit die sich schützen können? Ja, wer glaubt das denn? Milliarden an Israel, damit die ihre Waffen bei amerikanischen Firmen kaufen und das Geld zurückfließt. Gesundheitsreformen für das Wohlbefinden der Bürger? Ja nur, am Arsch hängt der Hammer. So werden weitere Einnahmen der Versicherungen gesichert. In den USA oder auch hier soll keiner ohne Versicherung sein. Weshalb wohl? Damit alle schön gesund bleiben. Weil die sich ja alle so um die Gesundheit sorgen, gibt es für jedes Fitzelchen eine Klausel, die eine Zusatzversicherung rechtfertigt aus der weitere Zusätze entstehen, damit sich die Vorstände riesige Boni zu ihren monatlichen Gehältern der sechsstelligen Art gönnen können. Was davon an die Politik geht, weiß keiner. Bankenrettung, Mehrparteiensystem, Geheimdienste - alle unter einer Decke, die retten sich gegenseitig selbst. Wäre die eine Bank pleite gegangen, hätte sie andere, mit besserem Ruf beleumundete Institute mit in den Abgrund gerissen, also musste hier gerettet werden, um die unerkannten schwarzen Schafe auch zu retten. Die Parteienvielfalt? Seit Dekaden kann man wählen, wen man will und erwischt immer wieder dieselbe Mischpoke. Absprachen untereinander, mit der Wirtschaft, mit den Reichen im Lande - der Rest ist geduldeter Pöbel, der gefälligst die geringen Löhne, die er erhält, zum Wohle des Establishments wieder zu investieren hat. Und der Krieg gegen den Terror? Ha, eine Goldgrube für alle Regierungen. Neue Sicherheitsbestimmungen, Überwachung allerorten, private Sicherheitsdienste oder Kampftruppen, Einschränkungen der Freiheit, Aufbau entsprechender Infrastruktur - und alles zahlt der Bürger. Amerikanische Großmannssucht auf Kosten anderer Nationen. Der Russe wird doch nicht von Europa provoziert, das war doch der US-Drang mittels NATO immer weiter nach Osten zu gehen. Da würde mir anstelle vom Wladimir auch bald die Hutschnur hochgehen. Verbreitung der Demokratie? Ja, aber nur da, wo es nutzt und wenn nötig mit der Form von US-Demokratisierungsbombern. Jeder soll leben wie die Amis? Wieso? Damit wir deren Wirtschaft am Leben halten. Deren, nicht unsere. Im Nahen Osten haben sie Ewigkeiten ohne Amerikanisierung oder deren speziellen, von allen hofierten, weil ständig vergangenheitsweinerlichen Erfüllungsgehilfen, der durchaus auch selbst ne ganze Menge Dreck am Stecken hat, wunderbar gelebt. Eben so, wie sie es wollten. Und jetzt sollen sie das über den Haufen werfen? Dass die darauf mit einem Wohlwollen verzichten wollen, das seinesgleichen sucht, ist durchaus verständlich. Sollten die Europäer auch mal versuchen und dem selbsternannten Weltpolizisten mit attestierter Macht-und Geldgeilheit die Rote Karte zeigen. All das packt Barry Eisler in die letzten rund 35 Seiten seines Romans, der übrigens ein recht offenes Ende hat und mit "Die Einheit" wohl auch eine Fortsetzung erfährt. Kein reiner Actionkracher, aber auch kein luschiger Krimi der simplen Machart, wie zu Anfang befürchtet, sondern eine Abrechnung mit den USA und der Rechtsstaatslüge, die mit etlichen Quellenangaben nach dem Ende der eigentlichen Geschichte untermauert wird. Auch wenn es bis dahin stellenweise etwas zäh ist und der jähzornige Charakter des Ben schnell ad acta gelegt wird und er nicht mehr ist, als ein Dutzendermittler.

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