Montag, 19. Januar 2015

Buchreview "In der Falle" M. Leino

Marko Leino. Ein Kommissar steht bei einem Drogendealer in der Schuld. Ein Ex-Junkie arbeitet als Polizeispitzel. Ein russischer Mafia-Boss wird übers Ohr gehauen. Ein 18-Jähriger übernimmt das Drogengeschäft seines Vaters. Ein bestechlicher Gefängniswärter droht aufzufliegen. – Fünf Männer, die in der Falle sitzen. Sie alle wollen ihr Leben wieder in geordnete Bahnen lenken. Doch während ihre Wege sich kreuzen, steuert einer nach dem anderen unweigerlich auf die Katastrophe zu.

Härski, einst ein hoffnungsvolles Eishockeytalent, das nun zum Kleingangster mutiert ist, steckt in der Klemme, weil er sich von anderen Ganoven übers Ohr hat hauen lassen. Und wie das dann halt so ist, steht immer noch einer über einem, der dann Rechenschaft fordert. Kommissar Viitasalo ist mitten in einem Fall gegen den vermeintlichen Drahtzieher von Korruption am Bau und Drogenhandel und verfolgt Sundström mit einer unglaublichen Verbissenheit, schafft es sogar, ihn mithilfe des Kollegen Kivi und einigen untergeschobenen Beweismitteln zumindest vorerst mal in den Bau zu bringen, was den aber nicht sonderlich anficht und er von dort aus seine Geschäfte mit Erpressung und Drohung - auch gegen Wärter - schön weiterführt. Zudem hat Viitasalo noch Probleme mit seiner Frau, die unter schweren Depressionen leidet und zudem im Kaufrausch einen Haufen Schulden bei der Bank hat. Der junge Vesa macht eine "Lehre" bei seinem Vater, einem großmäuligen Untergebenen diverser Bosse aus dem Milieu der illegalen Arbeiter aus dem Osten. Zusammen mit dessen leicht unterbelichteten Kumpel Macho soll Vesa ins Geschäft mit einsteigen. Nach und nach gewöhnt er sich an die Anspannung und den Kitzel dieses Jobs. Immer wieder muss er Arbeit erledigen, die sein versoffener Vater ihm aufträgt. Und immer neue Mitspieler kommen hinzu, versuchen sich gegenseitig zu übertölpeln.

Marko Leino hat sich den finnischen Autoren spannungsgeladener Thriller mit hohem Niveau angeschlossen, bietet aber auch ein gewohntes skandinavisches Bild der düsteren Trostlosigkeit. Familien dem Alkohol verfallen, tiefste Depressionen, ein Land von der Rezession und der Wirtschaftskrise geschüttelt, von den Gangstern aus den Nachbarländern schon fast völlig vereinnahmt und zudem mit Migranten wie killenden Serben und Kroaten gesegnet. Und all das in einem verzwickten Plot, in dem sich das ganze Drama erst sehr spät entfaltet, von kleinen Gaunereien bald zu internationalem Drogenhandel wechselt - mit einigen Morden garniert. Abwechslungsreich und clever entwickelt sich die Geschichte erst nach und nach von einem kleinen Drama zu dem teilweise mit Action aufgepeppten Thriller, in dem keiner dem anderen trauen kann, dafür aber jeder jeden übers Ohr hauen will. Was einige Figuren nicht überleben. Liebe und Hass, Mord und Totschlag, Hoffnung und Verlust - alles liegt nah beieinander und jede der handelnden Personen ist in irgendeiner Form in Schuld verstrickt. Schon bald wird dem Leser klar, dass es in diesem Roman kein Happy End geben wird. Und ganz nebenbei bringt Marko Leino noch etliche sozialkritische Töne unter, wenn er den schon viel zu früh einsetzenden, von Gesellschaft und ehrgeizigen Eltern gewollten, Leistungsdruck auf Kinder anprangert, die schon im Kindergarten einen volleren Terminkalender als ihre Eltern haben, wo die Erziehung auf oft überforderte oder desinteressierte Pädagogen abgeschoben wird, weil die eigentlichen Erziehungsberechtigten mit ihrer eigenen Karriere vollauf beschäftigt sind und ihre Kinder wie ein Gepäckstück zur Aufbewahrung abgeben und wieder abholen und sich dann wundern, wenn ihre Kids respektlos allem und jedem gegenüber sind. Würde sie ja nicht stören, wenn sie das nur anderen gegenüber wärten, aber ihnen auch keinen Respekt erweisen? Da muss im Kindergarten oder der Schule was falsch gelaufen sein. Daneben müssen auch die westlichen Staaten, speziell die USA sich mal wieder einen Spiegel vorhalten lassen, wenn der Autor erklärt, dass man den Russen die neuen Gesetze zur Überwachung der Bürger verbieten will, während man selbst das Gleiche nur verklausuliert ebenso eingeführt hat. Den Staaten und Politikern gehe es schon lange nicht mehr um Demokratie oder Bevölkerung, sondern nur noch um Gier und Macht. Geld regiert die Welt - und Konzerne sowie Gangster liefern das Schmiermittel dazu. Und wie er einen seiner Hintermänner des Drogenhandels verlauten lässt, kann man diese Überwachungsmanie auch zum Vorteil nutzen, indem man den Abhörenden eine Menge an Falschinformationen zukommen lässt. In der Folge können viele nicht erwartete Wendungen den Leser bald fesseln und sorgen nach der ruhigen Einführungsphase für einen stetigen Spannungsbogen, der mit etwas schwarzem Humor, etlichen nicht ganz so schlauen Ganoven, für die man teilweise sogar eine gewisse Sympathie entwickeln kann, und vielfältigen kriminellen Machenschaften gewürzt ist. Etwas mulmig kann einem dabei werden, wenn die einzelnen Schicksale auf das Finale zusteuern und auch völlig unschuldige Personen plötzlich vor dem Nichts stehen. Eindeutig ein skandinavisches Thrillerdrama der gehobenen Art, das aber auch auf das Klischee des ständig trinkenden und niedergeschlagenen Nordländers zurückgreift, was denn auch der wohl einzige Makel des Buches ist. Vorliegende Taschenbuchausgabe hat rund 545 Seiten.

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