Dienstag, 2. Dezember 2014

Buchreview "Der Clan"

Dwayne A. Smith. Die mächtigsten afroamerikansichen Geschäftsleute New Yorks haben sich zu einem Geheimbund zusammengeschlossen. Als er einen wichtigen Prozess gewinnt, erhält der junge schwarze Anwalt Martin Grey unerwartet Zutritt zu diesem elitären Zirkel. Übers Wochenende wird Martin auf den entlegenen, riesigen Landsitz des Clans eingeladen, ein Hochsoicherheitsgelände, auf dem die Sklaverei fortbesteht. Unter umgekehrten vorzeichen: Schwarz unterdrückt Weiß. Dr. Kasim, der charismatische Anführer des Geheimbundes, versichert Martin, er könne sich vom Erbe der Sklaverei nur befreien, wenn er seine schwarzen Ahnen räche. Martin ist schockiert, aber er begreift schnell, dass er den Clan in diesem Glauben lassen muss, wenn er sich selber und die weißen Gefangenen retten will.

Es ist der Tag der Schlussplädoyers in einem Aufsehen erregenden Prozess um Bürgerrechte und die Strafzahlung einer Firma, die sich des Rassismus schuldig gemacht hat. Der Arbeitgeber wird von einem Mann verteidigt, dessen Ruf schon durch ganz Amerika hallt und der von den Medien geliebt wird. Auf Seiten des Klägers befindet sich nur ein junger Mann, der bisher an noch keinem größeren Fall gearbeitet hat und mit seinem jüdischstämmigen Partner Glen Grossmann nur eine kleine Kanzlei führt. Dennoch kann er mit einem kurzen und knappen Plädoyer die Geschworenen überzeugen und er gewinnt den Fall. Jetzt ist er im Fokus der Berichterstattung, der neue Star am Anwaltshimmel, der dem alten Hund eine empfindliche Niederlage eingebracht hat. womit Martin Grey nicht gerechnet hat, ist, dass sein Gegner icht nur zu seiner Siegesfeier erscheint, sondern ihn auch mit seiner Frau zu einem Dinner in den nächsten Tagen einlädt. Aber Glen und dessen Gattin bleiben außen vor. Martin nimmt an und sie fahren zu dem Essen. Doch was sie dort sehen, lässt sie staunen, noch bevor sie die Schwelle des Hauses übertreten haben. Eine riesige Villa, mit diversen Zimmern wie in einem dieser alten Gentleman-Clubs und ebenso wie dort werden die Frauen auch bald von ihren Gatten getrennt und zu einem typischen Mädelstag in ein anderes Zimmer verfrachtet. während sie über Shopping und Rezepte tratschen, machen sich die Männer bekannt. Neben dem Staranwalt Damon Darrell sind vier weiter Männer aus den Regionen der finanziellen und politischen Macht anwesend, die Martin bald nach allen Regeln der Kunst ausfragen, selbst aber nur Andeutungen machen. Aber er gewinnt den Eindruck, dass sie mit ihm zufrieden sind, ihn in ihre Gruppe holen wollen. Und so kommt es, dass sie eines Tages auf ihn zukommen und zu einem kleinen Outdoor-Trip ohne Frauen einladen. Er stimmt zu, wenn auch etwas ängstlich, der er als Stadtmensch eine Naturphobie hat. Was ihn aber hier erwartet, ist mehr als er sich in seinen schlimmsten Träumen hätte vorstellen können. Sie fahren tief in die ihm unbekannten Wälder - auf dem Flug hierhin hatten sie ihn mit einem Betäubungsmittel im Whisky schachmatt gesetzt - und kommen zu einer immensen Anlage, die von bewaffneten Wächtern, alle schwarz, umgeben ist. noch denkt er sich nichts dabei, aber als sämtliche Dienstboten weiß sind und auch die Arbeiter auf den Feldern diese Hautfarbe haben, während ihre Aufseher alle dunkelschwarz sind (wie Martin später erfährt, werden auf dem Gelände keine "Promenadenmischungen" geduldet), wird ihm klar, dass er hier einen Sklavenbetrieb vor sich hat. Schwarz versklavt Weiß. Und ihrem charismatischen Anführer gehört das Gelände. Er und Martins neue Freunde rekrutieren immer mal wieder junge, erfolgreiche Männer ihrer Hautfarbe, um eine Organisation aufzubauen, die sich für die Sklaverei von vor über zweihundert Jahren bis ins mittlere 20. Jahrhundert rächt. Martin weiß, dass er mitspielen muss, solange er auf dem Gelände ist, sonst ist er tot. Aber mit diesem Wahnsinn will er nichts zu tun haben.

Der Klappentext hatte mich neugierig gemacht, ja gar fasziniert. Eine an sich großartige Idee, die ich zumindest so noch nicht in Buchform vorliegen hatte, mich aber ganz kurz an "Django Unchained" erinnerte, als der Titelheld die dunklere Pigmentierung hatte. Was würde Dwayne A. Smith daraus machen? Provozieren? Anklagen? Den Spiegel vorhalten? Nun, zu Beginn werden schnell Gedanken an einen John Grisham-Roman wach, wenn sich ein kleiner Anwalt mit der geballten finanziellen und autoritären Macht von bekannten Persönlichkeiten konfrontiert sieht und auf bestem Wege ist, sich daruch korrumpieren zu lassen. Der lockere und leicht lesbare Stil von Smith trägt sein Übriges zu dem Eindruck bei. Schnell sind die Rollen verteilt, nur dass hier nicht nur Gut und Böse sondern auch Schwarz und Weiß strikt getrennt werden. Gerade die Beschreibungen der Hintergründe lassen erkennen, dass der Rassismus zumindest latent vorhanden ist, wenn sich ein schwarzes Paar über eine (etwas bessere) Wohngegend freut, in der neben ihnen wenigstens nicht lauter Weiße wohnen. Genauso schnell tritt der umgekehrte Rassismus hervor. Die Schwarzen wollen mit den Weißen nichts zu tun haben und die einzige hellhäutige Figur, die eine etwas größere Rolle spielt - Glen Grossmann -, bekommt einen jüdischen Hintergrund verpasst, damit man auch ihn gefühlsmäßig zu den Unterdrückten und Verfolgten zählt. Martin entwickelt sich dann nach und nach zum Gegenpart seines Gastgebers auf der Sklavenanlage. Martin ist der mit dem Heiligenschein, während sein neuer Mentor sich als nicht Anderes entpuppt, als einen Mann mit ähnlich kruden Herrschafts- und Rassenphantasien wie dereinst Hitler. Er ist ein großer Redner, kann mit Argumenten überzeugen, obwohl diese alles andere als schlüssig sind. Und einige der Texte sind dann auch wirklich etwas weltfremd. Ab diesem Zeitpunkt lässt das Buch immer mehr nach. Die Gruppe um Dr. Kasim wird mit etlichen Klischees skizziert, die Handlung stockt, wird um die Mitte herum gar etwas zäh, bis es dann auf die Flucht und den Kampf um die Freiheit der Gefangenen geht. Hier kommt wieder Spannung auf, einige Actionsequenzen und eine wilde Verfolgungsjagd schließen sich an und das Ende deutet vielleicht sogar eine Fortsetzung an, da gewisse Gefahren fast vor der Haustür stehen und noch nicht gebannt wurden. Dennoch würde ich es so stehen lassen. Wäre mal ein neuer Abschluss, etwas anders, als immer alles schön fertig präsentiert und beantwortet zu bekommen. Ich weiß nicht, was der Autor seinen Lesern mitgeben wollte. Mehr Verständnis für die Situation der Schwarzen in Amerika? Nun, das hat er verbasselt. Bei mir und auch im Buch, wenn er  - sicher bewusst - zeigt, dass man seinem Volk mit derartigen Aktionen einen Bärendienst erweist und eine Reaktion nicht lange auf sich warten lässt. Ich kann in der Story jetzt nur sehen, dass Rassisten-Arschlöcher eben Rassisten-Arschlöcher bleiben - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Und solange es die gibt, wird nirgends auf der Welt Ruhe einkehren. Und das Buch ist dann tatsächlich einfach nur der beste Grisham seit Jahren - nur mit schwarzen Protagonisten und nicht von ihm geschrieben. Der erwartete Anspruch und eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Thema wurde eher oberflächlich behandelt, dafür aber der Unterhaltungswert (Abgesehen vom Mittelteil) eindeutig favorisiert. Ordentlicher Schwung gegen Ende, mit etwas Action aufgepeppt und die offenen Handlungsstränge (die hoffentlich NICHT in einer Fortsetzung münden) zum Schluss ergeben einen lesenswerten Thriller, der aber kein Muss-Einkauf ist. Vielleicht war auch meine Erwartungshaltung zu hoch.

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