Samstag, 15. November 2014

Buchreview "Gangland" H. Linskey

Howard Linskey. Eigentlich könnte David Blake es sich gutgehen lassen. Er ist jetzt Newcastles Don Corleone, der oberste Pate, der Mann, der alles kontrolliert, was sich per organisierter Kriminalität zu kontrollieren lohnt. Dumm nur, dass er vorher den Vater seiner Freundin Sarah umbringen musste, um seine Haut zu retten.

Schottland, Glasgow. Seit Tagen macht ein Heckenschütze die Stadt unsicher, erschießt auf größere Entfernung völlig wahllos unbeteiligte Passanten. Mittlerweile hat die Polizei den vierten Toten auf einer Bank im Park gefunden. Selbst der große Chef kommt zum Tatort - und wird Opfer Nummer fünf. In Newcastle versucht der Pleite gegangene Pornofilmer Peter Dean, ihm hat das Internet das finanzielle Rückgrat gebrochen, mit einer neuen Geschäftsidee bei David Blake vorzusprechen. In Anspielung auf youPorn will er diesem das Geld für die Seite SitonmyFacebook aus den Rippen leiern, doch der Boss und seine Entourage lachen sich krank, bevor sie Dean einfach sitzen lassen. Blake hat sich mittlerweile aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und nach Thailand abgesetzt, von wo aus er seinen Laden am Laufen hält. Er kommt nur zu kurzen Kontrollbesuchen hin und wieder nach England, wo er dann gelegentlich solche Typen wie Dean empfängt. Als er dann einige Wochen später wieder in Thailand ist, gut beschützt von seinen Gurkhas, sich um Sarah kümmert, der die dortige Langeweile aufs Gemüt schlägt, erhält er einen Anruf von seinen Vertrauten. Langsam wird das Fußvolk, seiner Verteiler und Kontrahenten aufmüpfig. Einer seiner Leute wurde beim Verlassen einer Hotelbar umgelegt. Eine große Ladung Stoff wurde von den Bullen abgefangen und nun muss eine neue Route mit neuem Lieferanten organisiert werden. Auch aus Schottland kommt Ungemach auf Blake zu, da Edinburgh sozusagen verwaist ist ohne einen Paten und die Truppe aus Glasgow liebend gerne Edinburgh und Newcastle übernehmen würde. Einer seiner Leute, die ihre eigene Belegschaft zum Verteilen der Drogen in sozialen Brennpunkten haben, zweigt Kohle ab, um zu sehen, wie weit er beim Boss gehen kann und in Polizeikreisen sind nicht alle bestechlich. Dazu kommt ein profilierungssüchtiger Politiker und eine kleine Affäre, die sich Blake während seiner Abwesenheit aus Thailand nun in seinem Heimatland gönnt. Unter den voraussetzungen dauert es nicht lange, bis er und seine Organisation von allen Seiten unter Beschuss genommen werden. Mordanschläge auf seine Leute, sogar auf ihn selbst. Und es ist nicht zu ersehen, welcher der vielen Feinde seine Finger im Spiel hat.

Kurz auf die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken eingegangen. Nichts davon ist falsch, aber sie ist derart nichtssagend, dass sie wie anhand des Endes von "Crime Machine", dem Vorgänger, zusammengeschustert wirkt und den festen Eindruck hinterlässt, dass der Verfasser den Inhalt dieses Werkes sicher nicht kannte. Nachdem im ersten Buch um David Blake dessen Weg an die Spitze geschildert wurde, muss der nun erkennen, dass es ga rnicht so einfach ist, an der Spitze zu bleiben. plötzlich muss er sich um alles kümmern, Angst um seine Sicherheit haben und an allen Fronten mit Feinden rechnen. Er kann niemandem mehr trauen. Sein Verbrecherleben hat sich eindeutig zum Anstrengenderen gewendet. Mit einigem unterschwelligen Humor (Ich verweise hier gerne auf den von ihm geschilderten Lebenswandel überbezahlter Hohlbirnen, die man Fußballprofis nennt und die sich selbst nicht mal die Schuhe zubinden könnten, aber zu seinen besten Kunden gehören) lässt Howard Linskey die Hunde los und verstrickt seine Hauptfigur in Schwierigkeiten en masse. David Blake ist ein Gangster der üblen Sorte, auch wenn er keine Schulkinder anfixen will. Dennoch erwischt man sich als Leser dabei, ihn als Protagonisten des Buches, als den Helden in Newcastle zu sehen, man hofft tatsächlich, dass er alles geregelt bekommt. Bis zu dem Zeitpunkt, wo er dann zeigt, wozu er fähig ist, wie brutal er auf Angriffe reagieren kann. Und wie er Polizei und Politik um den Finger wickelt, auf seine Lohnliste setzt. Bei der Gelegenheit wird nicht wenig Kritik an den sozialen Umständen in der Stadt und den Ich-bezogenen Politikern allgemein geübt. Für Geld und eigene Vorteile machen die alles - auch bei der Kriminalität wegsehen. "Gangland" ist ein tiefschwarzer, lakonisch erzählter und hervorragender Thriller, der ganz sicher in die obere Kategorie des Brit-Noir zu zählen ist. Hier ist spannung auf jeder Seite garantiert. nicht nur Blake rätselt, wer ihm nun an den Kragen will, auch der Leser wird im Dunkeln gelassen. Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Mit "The dead" (Originaltitel) steht die Fortsetzung schon in den Startlöchern und der Schluss von "Gangland" deutet an, dass David Blake sich hier noch auf einiges gefasst machen muss. Privat wie geschäftlich.

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