Dienstag, 21. Oktober 2014

Buchreview "Das Camp"

Nick Cutter. Ein Mann strandet an einer einsamen Insel vor der kanadischen Küste. Er ist ausgemergelt, dünn, wirkt mehr tot als lebendig. Und er hat Hunger - einen unstillbaren, schmerzhaften Hunger. Auf der Insel findet er eine Scout-Truppe vor. Die Scouts merken schnell: Der Fremde ist krank, todkrank. Egal, wie viel er isst, sein Körper fällt mehr und mehr in sich zusammen. Und dann sehen sie, dass sich etwas unter seiner Bauchdeke bewegt. Während die Scouts überlegen, was zu tun ist, bemerkt ihr Leiter, dass ihn plötzlich ein nie gekannter Hunger quält.

Ein Mann bestellt in einem Diner die Karte rauf und runter, verschlingt alles und verschwindet immer noch hungrig. Dabei klaut er den Wagen der Bedienung und fährt Richtung Meer, wo er am Ufer ein Boot entwendet und rausfährt zu der einsamen vorgelagerten Insel. Dort ist eine fünfköpfige Scout-Gruppe mit ihrem Leiter gerade dabei, ihr Camp aufzuschlagen, als sie den Mann mit seinem Boot am Strand entdecken. Da sie ohne moderne Kommunikationsmittel (Bis auf ein Funkgerät)   unterwegs sind und erst in wenigen Tagen wieder abgeholt werden sollen, müssen sie sich eigenständig um den Mann kümmern, der ihr einziges Funkgerät zerstört hat, als sie ihn in die Hütte holten. Und dann beginnt das große Fressen. Tim, der Leiter, ist im Berufsleben Arzt und will sich den Mann genauer ansehen, um ihm zu helfen. Doch was er vorfindet, lässt ihn erblassen. Der Fremde erholt s ich nicht mehr und stirbt, aber dafür wird nun Tim von einem unbändigen Heißhunger geplagt. Ab diesem Zeitpunkt sind die Jungen im Alter von 14 Jahren auf sich allein gestellt. Die unterschiedlichen Charaktere und Freunde müssen sich nun zusammenraufen, um der Bedrohung Herr zu werden. Und während sie auf der abgelegenen Insel um ihr Leben kämpfen, wird die Umgebung von Polizei und Armee abgeriegelt. Nichts und niemand darf zu der Insel vordringen, selbst Seevögel, die von der Insel Richtung Festland fliegen, werden von Scharfschützen vom Himmel geholt. Die Jungs sperren ihren Leiter sicherheitshalber in einen Schrank, doch zu spät: Einer von ihnen ist schon befallen. Sie können zwar auch ihn überwältigen und wegschließen, aber jetzt beginnt es untereinander zu kriseln, weil man sich nicht über die weitere vorgehensweise einig wird und Hilfe vom Festland nicht zu erwarten ist.

"Das Camp" wird vom Verlag als Thriller dargeboten, ist aber lupenreiner Horror mit einer Coming-of-age Story. Das Ende der Kindheit ist nah. Und wie sieht es mit dem Leben aus? Nach der ersten Begegnung mit dem Grauen nimmt der Autor sich Zeit, die Jungs vorzustellen und den Figuren Leben einzuhauchen. Dass dabei einige Klischees zum Vorschein kommen, macht das Buch
keinesfalls schlechter. Cutter zeigt, dass sich die Freunde, die sich schon so lange miteinander rumtreiben, nicht wirklich kennen. Erst die Bedrohung zeigt, wer wirklich wie gepolt ist und wer zu seinen Freunden steht. Und so entwickelt sich bald nicht nur der Kampf gegen das Monster aus dem Leib des Fremden, sondern auch das Monster in ihrer Mitte. Der Autor gibt freimütig zu, sich die erklärenden Einschübe zur Story bei Stephen King abgeguckt zu haben, die dem Leser die Zusammenhänge erklären, die den Jungs auf der Insel fehlen. Was dem Buch abgeht, ist ein ordentlicher Spannungsbogen. Zu viele Handlungen sind vorhersehbar, manches schon oftmals gelesen oder gesehen. Überrascht war ich denn auch über einige blutrünstige und eklige Härten in der Geschichte, aber wirklich grausam und betroffen machend war die Szene mit der Schildkröte. Insgesamt ein recht guter Beitrag zum Erwachsenwwerden und sicher kein Jugendbuch, wie sie derzeit wie Sand am Meer in immer schnellerem Rhythmus erscheinen. Ein stellenweise brutaler Beitrag zur Jugendthematik im Horrorgewand mit einem Hintergrund, der die Menschheit nicht sonderlich gut aussehen lässt. Stilistisch gelungene Story, die auch die Beziehungen der Protagonisten untereinander kritisch beäugt und die Bedrohung als Auslöser für diverse Veränderungen nutzt. Das Ende entlässt den Leser dann in die Bereiche seiner Fantasie, in der er sich ausmalen kann, was womöglich von der Insel aufs Festland geflüchtet ist und was der einzige Überlebende nach dem Verlust seiner Freunde nun anfangen will. Wer es nicht ganz so derbe wie bei den auf extremen Horror spezialisierten Verlagen mag, aber auch nicht auf blutige Details verzichten will, die möglichst mit einer brauchbaren Handlung und etwas Tiefgang serviert werden, der kann hier ruhig zugreifen. "Herr der Fliegen" als Horrorkost könnte man "Das Camp" umschreiben.

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