Freitag, 12. September 2014

Buchreview "Die Kairo-Affäre" O. Steinhauer

Olen Steinhauer. Alles beginnt mit dem Wort Scrumbler: Ein längst verworfener Plan der CIA, der vorsah, mithilfe libyscher Exilanten das Gaddafi-Regime zu stürzen. Jetzt verschwinden diese Männer einer nach dem anderen, ein Analyst aus dem CIA-Hauptquartier in Langley ist wie vom Erdboden verschluckt, und ein amerikanischer Diplomat, Emmet Kohl, wird wie aus dem Nichts erschossen. Die Fäden dieses verworrenen Netztes von Ereignissen laufen in Kairo zusammen. Hier ringen, am Vorabend des Arabischen Frühlings, die Geheimdienste aus aller Herren Länder um Kontrolle. Und Sophie Kohl versucht hier, den Mord an ihrem Mann aufzuklären.Doch Information ist in dieser paranoiden Welt der Täuschungen und Tarnungen das teuerste Gut, das es gibt.

In einem französischen Restaurant in Budapest sitzt Sophie Kohl ihrem Mann Emmet gegenüber und beichtet ihm eine Affäre, die sie während deren Zeit an der Botschaft in Kairo gehabt hatte. Sonderlich überrascht scheint ihr Gatte nicht. Doch bevor sie sich weiter über das unangenehme Thema auslassen können, steht plötzlich ein grobschlächtiger Mann am Tisch und direkt vor Emmet. Er zückt eine Pistole, erschießt Emmet und geht einfach. Obwohl die Polizei ein Bild von ihm hat und ihn als albanischen Killer identifizieren kann, schafft es der Mörder auf dem Weg nach München, sein vermeintliches Ziel anhand der ermittelten Reisedaten, spurlos zu entwischen. In Amerika, im CIA-Hauptquartier, merkt Jibril Aziz auf, als er über Wochen verteilt in Nachrichten liest, dass einige Männer, die er kannte und die an einem Projekt namens Scrumbler mitgearbeitet hatten, in Europa entführt wurden und vermutlich tot sind. Das Projekt hatte mit Libyen zu tun und Aziz kann seinen Chef überreden, ihn nach Ägypten und von dort aus unter Geleitschutz des Kontraktors John nach Libyen reisen zu lassen. Sie kommen auch gut voran und nach und nach erzählt Aziz John seine Geschichte, bittet ihn außerdem, ein Buch mit Namen im Falle einer Gefangennahme von Aziz oder dessen Tod zu vernichten. Als hätte er etwas geahnt, werden sie später von fünf Männern überfallen, denen sich zwar John erwehren kann, aber Aziz kommt ums Leben. John fährt zurück nach Kairo, vernichtet aber das Buch nicht. Und dann kommt auch Sophie nach Kairo. Sie will den Mord an ihrem Mann aufklären. Und in der dortigen Botschaft trifft sie wieder auf Stan, mit dem sie damals dieses Verhältnis hatte. 

"Die Kairo-Affäre" wartet nicht mit überbordender Action auf, sondern bietet einen dieser clever und gut konstruierten Spionagethriller, in denen man nie weiß, woran man ist. Die Story ist sorgfältig aufgebaut und derart komplex, dass man sich schon auf die Lektüre konzentrieren sollte und Ablenkungen möglichst vermeidet. Viele Personen, deren Geschichte in Zeitsprüngen und wechselnden Perspektiven skizziert wird, gut ausgearbeitete Charaktere, die nicht zu durchschauen sind wie z. B. Stan von der Botschaft, der ich immer noch unter dem großen Namen seines Vaters als Agent duckt, immer glaubt, er wäre nicht gleichwertig oder John, der kontraktor, den man anfangs für einen knallharten Burschen hält, der dann aber ebenfalls Gefühle und Selbstzweifel erkennen lässt, der Stationsleiter, der alle verdächtigt, aber auch selbst ins Fadenkreuz gerät. Es ist schwierig den kompletten Überblick zu behalten, wenn in Kairo noch Agenten aus dem ehemaligen Jugoslawien auftauchen, die eine Verbindung zu Sophie und Emmet hatten, die bis Anfang der 90-er noch vor dem Ausbruch des dortigen Krieges zurückreicht, wie durch Rückblenden erläutert wird, und die jetzt in Kairo vor Mord und Erpressung nicht zurückschrecken. Auch die Rolle der CIA ist mehr als nur undurchsichtig und Olen Steinhauer bringt nicht nur Whistleblowing ins Spiel, er lässt auch einen Blick auf das amerikanische Wunschdenken zu, dass sie dort glauben, jede Nation und jeder Mensch würde gern dem eigenen, kleinen Amerika streben und Amerika würde liebend gerne jedes Land der Welt in eine US-business-kompatible Drohne verwandeln, um weitere Gewinne zu generieren. Nichts was die USA tut, macht sie aus reiner Freundlichkeit. Ob sie nun die Europäer in einen Krieg gegen Putin drängen wollen, weil sie selbst nicht nur kriegsmüde sondern auch pleite sind und es sie nicht stört, wenn Europa zum Kampfgebiet wird oder ob sie es als Koalition verkaufen, dass sich möglichst viele am Kampf gegen die plötzlich von massenhaft amerikanischen Experten als so stark gepriesene IS beteiligen. Wo waren die Experten denn, bevor die IS so mächtig wurde? Hat die keiner bemerkt? Wie damals im September unterschätzt, ignoriert? All dies eingebunden in die Vorfälle, die aus unterschiedlichen Perspektiven vieler Beteiligter geschildert werden, sodass man in der Handlung hin und her springt, mehrmals an einen bestimmten Punkt aus der jeweiligen Sicht des gewählten Protagonisten gelangt. Lügen und Täuschen, Verrat und verlogene Freundschaften bilden das Gerüst um "Die Kairo-Affäre", einem Spionageroman allererster Güte, der aber auch höchste Konzentration abverlangt und nicht einfach zu lesen ist. Höchst willkommene Abwechslung im Thrillerbereich, die sich wohltuend von der Masse abhebt und spannend mit einigen nicht erwarteten Kniffs gewürzt ist und in dem jeder nur nach kaltem Kalkül handelt. Wirklich jeder. Wer also einen komplexen Thriller mit Hauptaugenmerk auf den Charakteren sowie einer unberechenbaren Welt der Geheimdienste lesen möchte, der ist hier richtig. Sehr guter Roman von Olen Steinhauer, der schon mit John Le Carre verglichen wird.

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