Donnerstag, 18. September 2014

Buchreview "Cyberstorm" M. Mather

Matthew Mather. Mike Mitchell ist ein ganz gewöhnlicher New Yorker, der mit ganz gewöhnlichen Alltagsproblemen zu kämpfen hat: Stress im Job und Konflikte in der Familie. Doch das verliert auf einen Schlag an Bedeutung, als nach einem gewaltigen Schneesturm plötzlich das Internet ausfällt. Bald werden Lebensmittel knapp, die Infrastruktur bricht zusammen und in der Stadt herrscht Chaos. In Mike keimt der Verdacht auf, dass es sich weniger um die Folgen einer Naturkatastrophe als um einen gezielten Angriff auf das World Wide Web handelt - einen Cyberkrieg.

Mike und seine Frau Lauren besitzen eine Millionen-Dollar-Eigentumswohnung in Manhattan, haben einen kleinen Sohn, Luke, und Mike ein geregeltes und gutes Einkommen. Und da der Herbst richtig golden ist, laden sie zu einer Grillparty auf ihrem Balkon. Freunde und Bekannte kommen, zu Mikes Leidwesen auch die Schwiegereltern, die vor Geld und zugehörigem elitären Getue nur so strotzen. Sie wollen auch, dass ihre Tochter endlich wieder arbeitet und richtig Geld verdient. So tun sie sich mit einem der Nachbarn, Richard, zusammen, der ihr gewisse Möglichkeiten aufzeigen kann. Doch zuvor wollen die Eltern in Hawaii urlauben und verlassen dann auch die Party. Nach und nach gehen auch die anderen Gäste. In der Nacht erwacht Mike und stellt fest, dass es in der Wohnung schweinekalt ist. Da auch die Lichter nicht angehen, geht zumindest ihm ein solches auf. Stromausfall. Dazu noch ein Schneesturm, der New York unter sich zu begraben gedenkt. Mit der fortschreitenden Zeit fällt ihm und seinen Nachbarn auf, dass nichts mehr geht - auch das Internet nicht. Und da in unserer modernen Zeit alles, oder zumindest fast alles, darüber gesteuert wird, kann sich diese Situation auch zu einer Katastrophe ausweiten. Trotz Stromausfall sind die meisten Radiosender noch in Betrieb, da sie für einen solchen Fall eine Spritreserve für die generatoren angelegt haben, und erste und erste Meldungen über eine Cyberattacke auf die USA machen die Runde. Dazu kommen noch Meldungen über den Ausbruch der Vogelgrippe und natürlich der Schneesturm, der die Kälte mit sich bringt. Noch kann man witzeln, dass der Schneesturm ein Angriff Kanadas auf die USA sei, doch mit dem Humor ist es bald vorbei. Einer ihrer Nachbarn und Freunde, Chuck, hat in weiser Voraussicht oder auch schlicht aus Paranoia Sprit und Lebensmittel in seinem Kellerraum gebunkert. Und für Wasservorräte hat er etliche Kanister bereitgestellt, die sie jetzt füllen. Je länger die Situation anhält, desto mehr schließen sich die Menschen in dem Wohnbunker zusammen, während andere frühzeitig das Weite suchen oder zu eingerichteten Notzentralen gehen. Doch nach einigen Tagen ist immer noch nichts von Hilfstruppen zu sehen, doch dafür werden in den Medien, also den Radios wildeste Gerüchte verbreitet, die dann von Privatpersonen mit ihren eigenen Sendern noch verstärkt werden. Obwohl man sich auf dem Stockwerk der Mitchells als Gemeinschaft zusammengerauft hat, brechen diverse Konflikte auf. Ein chinesisches Paar kann sich seines Lebens nicht mehr sicher sein, da sich alle auf China als Angreifer eingeschossen haben. Und der eine oder andere private Streit trägt auch nicht zur "Wohlfühloase" bei. 

Nun nach dem gelungenen "One second after" von William Forstchen vom Verlag DELTUS.DE, der den Ausfall der Technik nach einem EMP ebenso behandelt wie der actionreiche Dreiteiler "The End" (Teil drei wird demnächst erscheinen) von G. Michael Hopf aus dem Luzifer-Verlag nun also eine Geschichte über eine Cyberattacke, die ebenfalls sämtliche Geräte und Maschinen stillstehen lässt. Im Gegensatz zu den beiden genannten Romanen beschränkt sich "Cyberstorm" auf den ersten zwei Dritteln -  rund 350 Seiten - auf die Geschehnisse im Wohnhaus der Mitchells, nur hin und wieder durchbrochen von Nahrungsbeschaffung außerhalb des Gebäudes oder Hilfeleistungen im nahe gelegenen Krankenhaus. Und daran hapert es auch meines Erachtens. Trotz kleinerer Konflikte und Eifersüchteleien geht alles sehr gesittet seinen Lauf, selbst Plünderungen scheinen britisch-vornehm organisiert und geordnet. Auch ein Überfall, bei dem einige Gangster sich der gehorteten Vorräte der Gruppe im Stockwerk bemächtigen, verläuft halbwegs zivilisiert. Und alle glänzen vor Hilfsbereichtschaft, selbst die vorher als miese Drecksäcke herausgestrichenen Charaktere scheinen in der Not zusammenzuhalten. Und während der ganzen Zeit erfahren Leser wie auch die Protagonisten nur aus den Medien, was sich ereignet haben soll. Die Meldungen der Sender werden immer spekulativer, Schuldzuweisungen werden als Tatsachen dargestellt und immer wieder China oder die Iraner als Angreifer genannt. och wirklich wissen tut niemand etwas. So nach etwa 200 Seiten mit immer demselben Schema hab ich schon fast vermutet, das Ganze wäre ein Experiment auf Kammerspielbasis, wozu auch die eine oder andere Länge in der Schilderung der Katastrophe beigetragen haben dürfte. Als die Hauptpersonen dann nach den erwähnten 350 Seiten endlich ihr eiskaltes Domizil verlassen, um auf dem Land ihr Glück zu suchen, wo der Strom angeblich wieder funktioniert und der Bunkerkönig Chuck nicht nur ein abgelegenes Häuschen besitzt, sondern dies auch - wie unerwartet, hehe - mit massenweise Vorräten ausgestattet hat, kommt etwas Zug in die Sache, ein kleiner Actionsprenkel gesellt sich dazu und das war es dann auch. Was bleibt, ist ein Buch, das die Verwundbarkeit einer Technik, die nur auf dem Internet basiert, deutlich macht und - wenn auch recht gelinde - darstellt, was dies für das Überleben bedeuten kann. Und auch das mediale Ballyhoo, das aus jeder Mücke einen Elefanten macht und jedes Gerücht als Sensationsmeldung und die einzige Wahrheit verbreitet, wird - auch hier recht sanft - kritisiert. Die Menschen werden mit den ("Falsch"-) Meldungen derart bombardiert, dass sie am Ende nur noch sehen, was sie sehen wollen. Und damit kommen wir zum Buchende: HEILE WELT hoch drei. Alles wunderbar. Gerade die letzten Kapitel befördern für mich das Buch in die Niederungen des "Muss  man sicher nicht lesen". Es geschieht eh schon nicht viel zwischen den beiden Buchdeckeln und die zwischenmenschlichen Beziehungen wurden ausführlicher behandelt anstatt an der Spannungsschraube zu drehen und so plätschert "Cyberstorm" lange Zeit vor sich hin. Wer also etwas Brauchbares zu dem Thema Ausfall der Technik und des Internets lesen will, der sollte zu den eingangs genannten Werken greifen. Dort wird zwar weniger gemenschelt und America First regiert, aber es ist unterhaltsamer und auch glaubwürdiger. Besonders wenn man sie mit dem Ende von Matthew Mathers Roman vergleicht. Zudem soll "Cyberstorm" ein Prequel zu dessen "Atopia"-Reihe sein. Dort wollen sie sichere Städte draußen auf dem Meer bauen, die völlig autark sind und nicht attackiert werden können. Dann macht mal schön, aber wohl eher ohne mich. Nette Idee, mäßig in der Ausführung und nicht wirklich erwähnenswert in der Masse der Veröffentlichungen kann man sich "Cyberstorm" eher sparen.

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