Montag, 28. Oktober 2013

Buchreview "Gelyncht" (Tony Black)

Tony Black. Ein Buchmacher wird mit aufgeschlitztem Bauch aufgefunden. Sein Pitbull hatte ein dreijähriges Mädchen zerfleischt. Ernsthafte Ermittlungen sind unerwünscht - und lebensgefährlich. Der zweite Fall für Gus Dury.

Lautstarkes Geheul in der finsteren Nacht von Edinburgh bringt Gus Dury auf den Plan. Statt es zu ignorieren, was vermutlich sicherer wäre, sprintet er hin und stößt auf einige vermummte Teenager, die einen kleinen Hund quälen. Wie es sich für diese Affen gehört, will er ihnen die Fresse polieren, bekommt aber selber einen ab und stürzt ins Gebüsch - direkt auf die ausgeweidete Leiche des Tam Fulton. Trotz seines tief verankerten Widerwillens gegen die Berufsgruppe ruft er die Bullen an - und direkt danach seinen alten Arbeitgeber bei der Zeitung. Das bringt ihm zwar die Möglichkeit wieder zu schreiben, aber auch ne Menge Ärger durch seine Freunde und Helfer, die ihm den Mord an dem Toten anhängen wollen. Und während Gus sich nach einer ersten Vernehmung und folgenden Freilassung wieder Suff und Kippen widmet, interessiert sich einer der Cops tatsächlich für die Ex-Frau von Gus. Auch ein Grund, um Gus was anzuhängen. Nach und nach sickert durch, dass der Tote zu seinen Lebzeiten als Buchmacher für illegale Hundekämpfe aktiv war und 50.000 Pfund bei sich hatte, die natürlich aber auch so gar niemand am Tatort finden kann. Und sein Kampfhund hatte einst auch noch die dreijährige Tochter eines Mannes getötet, der jetzt Richter ist. So wie die Situation sich darstellt, hat niemand ein großes Interesse, den Mord an dem Scheißkerl wirklich aufzuklären, aber wenn man es denn schon Gus anhängen kann und ihn damit aus dem Weg schafft, ist es doch zu schön, um wahr zu sein. Und zudem zeigt auch der Boss des Buchmachers ein gewisses Faible für Gus, da er bei ihm sein Geld vermutet. Da der Boss aber im Knast sitzt, lässt er Gus vorführen, um ihm seine Forderungen zu übermitteln. Dury sitzt zwischen allen Stühlen.

Tony Black lässt in seinem zweiten Abenteuer mit Gus Dury, der sich selbst verflucht, weil er den möglichen Neuanfang mit seiner Ex Deb zum Ende von "Geopfert" verbockt hat und ihr und ihrer ehe immer nch nachtrauert, seiner Enttäuschung über Edinburgh und Schottland freien Lauf. Die Stadt wird beherrscht von den Honoratioren und den Baulöwen, die das große Geld machen, während ganze Stadtteile im Dreck versinken. Billige Arbeitskräfte werden aus dem Osten geholt, die Einheimischen bleiben auf der Strecke. Alles für den Tourismus - wer hier aber lebt, hat nichts zu melden. Stadt und Land werden immer mehr amerikanisiert, echte Lebensart verdrängt. Starbucks mit ihren exotischen Kaffeegemischen ("Was wollen Sie für einen Kaffee?" - "Ähem, wie wär's mit nem braunen".) und modernen Mätzchen übernehmen immer mehr das alte Schottland. Und Schottland? Das knabbert immer noch an den Niederlagen gegen die Briten. Man kommt sich vor wie die Aborigines in Australien. von fremden Eroberern vereinnahmt und unterdrückt. Überall Pessimismus pur. Auch beim Protagonisten. Dury ist sich seiner Situation durchaus bewusst, sinniert darüber, wie es mit ihm soweit kommen konnte, ist aber auch nicht mit der letzten Konsequenz gesegnet, daran etwas zu ändern. Er ist ein Alki und wird immer einer bleiben - und er weigert sich , in diesem Punkt Hilfe zu akzeptieren. Doch dieses Dilemma von Stadt, Land und Gus wird von Tony Black sehr humorvoll vor dem geneigten Leser ausgebreitet. Zitat Anfang: Ich rutschte aus, landete auf dem Hintern. Ziemlich nass hier, war halt Schottland, hey.... das gehört halt dazu. "Scheiße, ey", brüllte ich, als meine Handflächen über die harten, knorrigen Wurzeln eines Baumes schrammten. Brannte wie Sau. Als ich aufzustehen versuchte, machte ich gleich wieder den Flieger und knallte mit dem Kopf tüchtig gegen den Stamm. Zitat Ende. Coole, schottische Hard-Boiled-Literatur, in schnodderigem Tonfall erzählt und absolut ungeeignet für Tierfreunde, denn ein, zwei Kampfszenen sind echt eklig. Auch sonst herrscht kein sanfter Umgangston und wer Ken Bruen zu seinen Favoriten zählt, kann hier bedenkenlos zugreifen, glaube ich. Lakonischer Thriller mit einer kleinen Wende zum Ende und genug Potenzial, um daraus ebenso eine TV-Serie zu machen wie aus Jack Taylor. 

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