Sonntag, 23. Juni 2013

Buchreview "Kill Decision"

Daniel Suarez. Blutiger Drohnenangriff auf eine Pilgerstätte im Irak. Ein weiterer Angriff trifft eine kalifornische Universität. Die Biologin Linda McKinney ahnt nichts davon: Sie erforscht gerade eine besonders aggressive Spezies afrikanischer Ameisen, als sie mitten im Dschungel gekidnapped wird. Ihr Entführer heißt Odin, und er hat ihr offenbar das Leben gerettet. Wer sind die Mächte, die Lindas Forschungen zur Schwarmintelligenz unterdrücken wollen? Während sich in den USA grauenhafte Bombardements häufen und in den hintersten Winkeln des Planeten Millionen fliegender Tötungsmaschinen vom Band laufen, macht sich das Team um Odin und McKinney daran, die Menschheit vor der Vernichtung durch ihren eigenen Fortschritt zu retten.

Die Techniker und Drohenlenker in ihrem klimatisierten Kabuff beobachten, wie eine Drohne mit US-Wappen etliche Hellfire-Raketen mitten in die Prozession von Pilgern bei einer Stätte im Irak feuern, die hunderte Menschenleben fordert. Die Schuld liegt sofort bei den Amerikanern, die daraufhin von den anderen Nationen für diesen Akt der Brutalität geächtet werden. Doch die Drohne war fremdgestuert. In den USA sitzen einige Forscher einer Universität zusammen, um ihren Erfolg zu feiern, den sie mit einer Präsentation erreicht haben, während draußen vor dem Fenster im idyllischen Wald Vögel und Raben ihr Treiben ungerührt fortsetzen. Dann platzt die Nachricht herein, dass die Errungenschaften schon im Internet veröffentlicht sind. Sie wurden verraten oder ausspioniert. Als einer der Männer herausbekommt, wo die Quelle des Verrats sitzt und ein Treffen einberuft, werden allesamt von einer Explosion getötet. In Afrika studiert die Forscherin Linda McKinney gerade das Schwarmverhalten der aggressiven Weberameisen, als sie gerade rechtzeitig von Odin vor einem Anschlag gerettet wird. Dieser hat nebst zwei Raben eine illustre Truppe um sich versammelt, die die Anschläge aufklären soll. Zu diesem Zweck zwangsrekrutiert er McKinney, die mit ihren Ergebnissen und ihrem Wissen die geheime Aktion unterstützen kann. Man eröffnet ihr, dass ihre Erforschung der Schwarmintelligenz zusammen nit der Visuellen Intelligenz der getöteten der Universität für die Attentate missbraucht wurde. Man bringt sie in eine Einrichtung, in der das Equipment der sogenannten Activity lagert, doch sie misstraut deren Worten und sie kann flüchten, was sich als kein Ruhmesblatt für die spezielle Einheit darstellt. Natürlich wird sie wieder eingefangen und dann nicht mehr aus den Augen gelassen. Doch auch ein Standortwechsel in ein sogenanntes sicheres Haus bringt eben keine Sicherheit. Sie werden von einem tödlichen Schwarm von Einwegkillerdrohnen angegriffen und das fordert Opfer, bevor sie flüchten können und sich zum Gegenschlag wieder sammeln. Sie finden Mittäter der Organisation, die hinter der Sache steckt, dazu neue Spuren und müssen eine weitere heftige Attacke wegstecken. Dann herrscht Klarheit über das künftige Operationsziel des Gegners und erhalten Erkenntnisse über den Plan, neuartige Kriege zu schüren, dei dem militärisch-industriellen Komplex neue Gewinne generieren und den Überwachungsfanatikern neuen Pfrümnde für den Ausbau ihrer Technologie bringen sollen. Es bleiben nur wenige Stunden, um eine Katastrophe zu vereiteln.

Daniel Suarez hat sich eines Themas angenommen, das derzeit auch hierzulande recht populär ist (Wenn auch eher unrühmlich und peinlich, wenn man sich die Steuergelderverschwendung ansieht. Jeder kleine oder größere Steuersünder wird angeklagt und der Staat betätigt sich bedenkenlos als Hehler beim Ankauf gestohlener Daten, doch solche Steuersünden werden nicht verfolgt, obwohl viel umfangreicher.): Überwachung und Kriegsführung durch Drohnen. Nicht nur, dass durch den fast schon missionarischen Glauben an die scheinbar unfehlbare Überlegenheit der Technik wertvolle Informationen verloren gehen, die früher durch menschliche Aufklärung erhalten wurden, die Technik auch weiterhin nicht ersetzen kann, sondern auch, dass die Drohenlenker in ihren Arbeitscontainern das Ganze nur noch als Videospiel an einem übergroßen Bildschirm wahrnehmen und gar nicht wissen, was für ein Leid sie verursachen und abwertend von Death TV sprechen, wenn sie wieder eine Drohne ins Ziel lenken. Kollateralschäden? Werden billigend in Kauf genommen, trifft ja nur die Anderen. Die beiden Hauptfiguren von Daniel Suarez bekommen einen etwas ausführlicheren Hintergrund spendiert, wobei speziell McKinney als Patin eines afrikanischen Waisenjungen für die menschlichen Züge der Operation stehen soll. Doch der scheint nur als Alibi herhalten zu müssen, da sie nach ihrer Entführung und der weltweiten Bedrohung bestenfalls einmal an den Jungen denkt. Man sollte meinen, dass die Dame nach ihren Abenteuern und der Explosion in Afrika doch wissen möchte, wie es dem Burschen geht. Nix da. Natürlich kommt auch Daniel Suarez nicht ohne Klischees aus, von denen das der erst widerwilligen Partner, die dann zu einem Paar werden, das hervorstechendste ist. Nebenbei mokiert sich McKinney über die Rolle der Frau in den Nachrichtensendungen, bei denen schnuckelige Modelmäuse die blöden Fragen an den männlichen Chefmoderator stellen, um sich sowie das Publikum von dem dann schlau machen zu lassen. Im Laufe der Zeit bzw. Verlauf der Handlung erfüllt sie selbst bis auf Ausnahmen auch ebendiese Rolle, die ihr so zuwider scheint. Nach der fulminanten Einleitung wird das Ganze erst einmal zur Erklärmaschine über die neuesten Entwicklungen, die, da viele, ja die meisten von ihnen schon tatsächlich existieren, ziemlich erschreckend sind und welche Zusammenhänge sich daraus ergeben. Doch durch z. B. die Flucht oder andere Geschehnisse entwickelt sich keine Langeweile beim Leser und das Tempo wird nicht ausgebremst. Die Kritik an der heutigen Welt der Medien beschränkt sich  nicht nur auf die Rolle der Frau in den News, sondern auch auf die sogenannten Beeinflussungsoperationen, wo nur verbreitet wird, was genehm ist oder diverse Vorkommnisse bagatellisiert werden. Gemeinsam mit der nicht wirklich neuen Erkenntnis, dass Medeen, Wirtschaft und Konzerne längst eigene Wege gehen und die Regierungen und Politiker bestenfalls noch (gut bezahlte?) Erfüllungsgehilfen sind, wirft der Autor nach "Daemon" und "Darknet" kein allzu schönes Bild der ach so "schönen, neuen Welt" auf, in der die Bevölkerung bestenfalls als Statisten und Melkkühe auf der Weide ihr Dasein fristen darf. Das Kapital regiert die Welt. Kriege werden aus Gewinnsucht geführt, Revolutionen aus denselben Gründen angezettelt oder niedergeschlagen, Menschenrechte ausser Kraft gesetzt, humanitäre Projekte nur dem Gewinnstreben untergeordnet (Medizin mal als Beispiel genannt. Krankheiten in Afrika, gegen die es Mittel geben würde, werden nicht behandelt, weil die Herstellung der Medikamente aufgrund der Unwirtschaftlichkeit im schwarzen Kontinent nichts bringt.) Auch die Nachrichtenwelt (TV oder auch die berühmte und bekloppte Boulevard-Presse) und das Internet kommen nicht wirklich gut zu Geltung, da diese mittlerweile in beiden Fällen dazu verkommen sind, populäre Botschaften in den Vorergrund zu rücken, während weniger populäre im Vergessen versinken und unterdrückt werden. So kommen statt bedeutsamen Themen diverse Spacken, Müll-TV, geistig unterbelichtete It-Girls zu ständigen Ehren, wo echte Information angebracht sein sollte. Auf die Art konnte sich sogar Al Kaida in Richtung einer Marke entwickeln und vermarkten. Eigentlich unfassbar. Dazu kommt noch die Parallele zu Aussagen des Autors Anders de la Motte, der ja schon deutlich skizziert hat, wie im Internet Meinung gemacht wird. Ganze Horden bezahlter Trolle sorgen durch positive Berichte dafür, dass negative Meinungen so weit in den Hintergrund gerückt werden, dass sie in den Suchmaschnen erst spät oder fast gar nicht mehr auftauchen - und diese Horden werden mittlerweile durch Programme ersetzt, die sich über Facebook, Twitter, kommerzielle Foren, die sich mit Werbung finanzieren oder auch kommerzielle Blogs (Glücklicherweise ist Cheffe Shane Schofield stolz darauf, seinen Blog frei von jedem äußeren Einfluss zu führen (schlimm genug, dass er mich fabulieren lässt), sonst wäre dies bestimmt meine letzte Rezi.), massenweise Fake-Accounts einrichten und Meinungen in der Art verbreiten, dass man das gewohnte Phänomen des "was alle gut finden, muss auch gut sein" zu eigenen Gunsten ausnutzen kann. Auftraggeber für so etwas sind Regierungen, Firmen, Großkonzerne, Autoren usw. Nicht jede Rezi, die man liest, ist wirklich echt (So, jetzt überlegt mal, ob man an mein Geschmiere nun glauben kann oder nicht.), sondern nur eine Manipulation oder Beeinflussungsoperation. Das gilt auch für Politik. Die nutzt das auch gerne für sich, ob es da nun um Arbeitslosenzahlen oder die Globale Erwärmung geht. Abgesehen von diesen vielen Punkten ist "Kill Decision" mit etlichen rasanten Actionelementen angereichert, aber nicht überhart oder gar brutal. Das eine oder andere Klischee verirrt sich in die Handlung, die trotz wissenschaftlicher Anteile leicht zu verfolgen und flott zu lesen ist. Hier trifft intelligente Story mit eingeflochtenen Bildungsanteilen Action, was an sich schon selten ist. Noch seltener ist nur, dass solche Werke auch in meinem Portfolio zu finden sind. Wer also Michael Crichton mit seinen fundierten Unterhaltungsbildungsromanen zu schätzen wusste, sollte bei Daniel Suarez zugreifen. Und ganz allgemein sollte man künftig vielleicht noch mehr überlegen, welchen Mist in Wort oder Schrift in TV, Presse oder Internet man glauben will oder nicht.

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