Samstag, 8. September 2012

Buchreview "Der Ursprung des Bösen"

Jean-Christophe Grange. Mathias Freire leidet unter einer rätselhaften Krankheit: Sein Gedächtnis setzt aus, sobald er unter Stress steht. Und wenn er das Bewusstsein wiedererlangt, ist er ein anderer. Ein neues Ich hat sich formiert, mit einer neuen Vergangenheit, einem neuen Lebensschicksal. Als Freire erfährt, dass die Polizei nach dem Täter einer grausamen Serie von Ritualmorden fahndet, gerät er zunehmend unter Druck: Alle Taten wurden in unmittelbarer Nähe Freires verübt. Ist er der Mörder? Freires mühevolle Identitätssuche wird schon bald zum atemlosen Wettlauf mit der Zeit, denn offenbar gibt es jemanden, der unter allen Umständen verhindern will, dass Freire der entsetzlichen Wahrheit um seine Herkunft auf die Spur kommt.

Mathias Freire ist Arzt an einer psychiatrischen Klinik in Bordeaux. Aufgrund eines unwürdigen Zwischenfalls an seiner alten Arbeitsstätte hat er das Jobangebot aus Bordeaux sofort akzeptiert. Eines Abends bringt die Polizei einen Mann, den sie am Bahnhof mit blutigen Händen und einem Telefonbuch von 1996 aufgegriffen hat und der erheblichen Gedächtnisverlust aufweist. Seine Vergangenheit und auch Name und sonstige Daten sind vom Winde verweht. Der kräftige Zwei-Meter-Mann mit Cowboystiefeln und -hut sowie Arbeiterhänden wird in der Klinik aufgenommen und nennt unter Hypnose Namen und Orte. Nach dem Dienst stellt Freire fest, dass er zu Hause anscheinend von zwei Männern in Schwarz überwacht wird, die auf der Straße vor seinem Haus stehen. Der folgende Tag beginnt für Anais Chatelet von der Kripo Bordeaux mit einer bizarren Leiche; ein Junkie wurde tot aufgefunden, einen ausgehöhlten Stierschädel über den Kopf gerammt. Da der Fundort derselbe Bahnhof ist, an dem der Fremde aufgegriffen wurde, macht sich Anais auf zur Befragung von Freire. Viel ergibt sich nicht, da beide sich mit Misstrauen gegenüberstehen. So ermittelt jeder für sich. Freire bekommt die Identität seines Patienten quasi frei Haus geliefert, während Anais dem Stierschädel und dem Lebensweg des toten Junkies auf die Spur kommt. Freire muss bald feststellen, dass er da ganz unbewusst in einem Hornissennest rumstochert und dessen Bewohner sich nun wütend auf ihn stürzen. Eine Autoverfolgung ist dabei noch das Geringste, wie er schon bald an den um ihn herumschwirrenden Geschossen spürt. Jetzt sucht er Unterstützung bei anais. Doch bevor es dazu kommt, erreicht ihn eine Nachricht, überbracht von einem ihm unbekannten Mann, der aber anscheinend über Freire Bescheid weiß, die ihn bis ins Mark erschüttert. Ab  jetzt ist er selbst auf der Flucht und während Kommissarin Anais Chatelet alles in Bewegung setzt, ihn zu finden, begibt er sich auf die Suche nach seiner Vergangenheit.

Jean-Christophe Grange ist bekannt für seine Themen weit abseits des Mainstream, was ihn und seine Bücher auch so interessant macht. Doch "Der Ursprung des Bösen" erscheint mir etwas anders. Sicher begibt er sich wieder in die Abgründe der menschlichen Seele, aber ungewohnt actionlastig. Doch bis die Jagd beginnt, wird man als Leser durch die Welt der Psychiatrie geführt (allgemein verständlich gehalten) und lernt etwas über die abscheulichkeit der Stierkämpfe. Massenunterhaltung, bei der der Stier so gezüchtet wird, dass er von vornherein chancenlos ist. Während der Jagd durch halb Frankreich werden Städte wie Paris, Bordeaux, Cap Ferret, Biarritz, Nizza, das Baskenland, die Pyrenäen oder Marseille nicht von ihrer positivsten Seite geschildert. Gerade Marseille wird nur düster als Pennerparadies, Einwandererhochburg und Schmelztiegel der Kulturten und Kriminalität beschrieben, ohne Sonne, Strand, Mittelmeer, Touristenattraktionen, Mädels, die wunderbare Clara Morgane oder auch den Vorzeigeclub Olympique Marseille nur zu erwähnen. Sobald das Buch dann richtig Fahrt aufnimmt, erweckt es den Anschein, man habe es mit Jason Bourne mit psychologischem Hintergrund zu tun. Verfolgungsjagden, Mordanschläge, Schusswechsel, Folter und Intrigen beherrschen die Szenerie. Hier kommt auch wieder die Einmischung Frankreichs in fremde Angelegenheiten oder ihre Kolonialpolitik ins Spiel. Kritik an Politik, Behörden und Konzernen zieht sich ja wie ein roter Faden durch die Bücher von Grange. Das ist hier nicht anders. Dazu zwei Protagonisten, die auch ihr Päckchen zu tragen haben. Ob es nun die Tablettensucht der Kommissarin (manchmal ganz schön zugedröhnt) und deren Vergangenheit bzw. Herkunft ist oder die Verzweiflung des Freire. Zusammen gibt es Ganze ein Actiondrama der dunklen Seelen mit den bekannten Zutaten des Autors, was auch der einzige Kritikpunkt sein könnte. Hat man sich mit den bisherigen Romanen von Grange befasst, ist nicht mehr viel Neues oder wahrlich Überraschendes zu finden. Ansonsten bleibt aber ein immer noch überdurchschnittlicher, äußerst rasanter Thriller, der sich trotzdem noch von der Massenware angenehm abhebt und das Ende der Actionhatz ist irgendwie folgerichtig, finde ich. Grange bleibt also weiter eine Empfehlung und seine Landsleute werden diesen Monat ja schon mit dem nächsten Werk mit dem Titel (SNEAK-Preview, hehe)"Kaiken" versorgt. Vermutlich dann in ca. einem Jahr bei uns, unter welchem Titel auch immer.

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