Sonntag, 10. Juni 2012

Buchreview "High Life"

Matthew Stokoe. Auf der Suche nach Geld, Sex und Macht zieht es Jack nach Los Angeles. Doch der Traum von Ruhm und Reichtum bleibt unerfüllt. Stattdessen fristet Jack ein elendes Dasein und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. In der Hoffnung auf ein kleines, bescheidenes familiäres Glück nimmt er schließlich die Prostituierte Karen bei sich auf. Doch Karen verlässt ihn. Wenige Tage später wird ihre Leiche in einem Abwasserkanal gefunden, entstellt und ausgeweidet. Jacks Leben gerät vollends aus den Fugen. Bis er sich entschließt, sich dem Grauen, das über ihn hereingebrochen ist, zu stellen. Er erfüllt sich seinen Traum von einem Leben im Scheinwerferlicht - und begibt sich auf eine Reise in die Finsternis.

Jack ist in der Nacht unterwegs. In den dunklen Straßen von Los Angeles sucht er nach seiner Frau Karen. Er findet sie auch - tot, ausgeweidet und von Bullen und Gaffern umlagert. Kommentarlos zieht er sich zurück. Er und die abgehalfterte 22-jährige Nutte hatten ein Jahr zuvor geheiratet, doch Liebe war dabei nicht im Spiel. Es war eher eine Zweckgemeinschaft zweier  einsamer gescheiterter Existenzen. Sie ging weiter ihrem Job nach. Eines Tages taucht sie auf und schenkt Jack einen Wagen, den sie aus dem Lohn für eine verkaufte Niere erstanden hat. Danach verschwindet sie wieder und erscheint Tage später erst als Leiche wieder auf der Bildfläche. Jack stürzt ab, säuft, kokst und verlässt die Wohnung kaum noch. Doch er bekommt Besuch: Ryan ein Cop, der angeblich im Fall von Karen ermittelt und dann Rex, ein Stricher, der die Reichen bedient. Ebendieser Rex führt Jack dann auch in die Gemeinde der Liebesdiener ein, verschafft ihm sogar ein Engagement in reichem Hause. Und dann beschließt Jack, Karens Tod aufzuklären und taucht dabei tief in den Sumpf des Geschäftes mit der käuflichen Liebe in den Hinterhöfen der Metropole ab. Gibt sein altes Apartment auf, verscherbelt die mitgemieteten Möbel, zieht in den schmutzigen Teil von Hollywood und sucht nach einem Arzt, der Karen die Niere entnommen hat. Dabei lernt er Bella kennen, findet ihre Adresse raus und stellt fest, dass sie den Lebensstil führt, den er sich für seine Wenigkeit vorgestellt hat. Er nistet sich bei ihr ein, bis sie ihm ein eigenes Haus mit allen Annehmlichkeiten und einen Wagen bezahlt. Doch es bleibt nicht lange so, denn Ryan hängt sich an seine Hacken und wie sich herausstellt, ist Bellas Vater Arzt. 

"High Life" spielt zu einer Zeit als Tom Cruise sich noch hinter Nicole Kidman vor Gerüchten verschanzt, Macauley Culkin noch auf seinen achtzehnten Geburtstag wartet und über Mel Gibsons Millionensalär für "Ransom" spekuliert wird. In diesem Ambiente zeigt die radikale Gesellschaftssatire nicht Hollywoods Scheinwelt mit Johnny Depp oder Arnold Schwarzenegger, sondern das dunkle und düstere Gesicht der Metropole mit den vielen Gescheiterten, den Pennern, Junkies und Nutten in den dämmrigen Gassen und Hinterhöfen. Schon damals hat Stokoe Hollywood als das entlarvt, was es für viele auch ist: Eine Täuschung, die nur für den Tourismus und einige wenige erfolgreiche Menschen wirklich existiert und in der alles Nichtamerikanische ohne Chance und Wert ist. Und auch Jack denkt so. Nur das Leben im Scheinwerferlicht ist für ihn von Bedeutung, er will geliebt werden ob seiner Präsenz auf Bildschirm oder Leinwand, er will das Geld und die großen Anwesen. Mit aller Macht. Dafür würde er wirklich alles tun. Alle anderen zählen für ihn nicht. Daher ist Jack auch nur ein armseliger Wicht, ein unmoralischer, widerwärtiger und emotionsloser Bastard. Stokoe beschreibt Jacks Hollywood mit üblen Szenen reinen Ekels, zu denen Menschen doch fähig sein können. Abartig, pervers, unfassbar. Echte Morde mit Bohrmaschinen vor Zuschauern, die dafür tausende Dollar gezahlt haben und gegen die das zuletzt besprochene Buch von Richard Laymon "Licht aus!" mit seinem Thema Snuff-Filme schon fast wieder Kindergeburtstag ist. Stellenweise brutaler, gefühlloser als Vieles was ich schon gelesen habe. Ein derber Blick auf die Gesellschaft ausserhalb der Traumfabrik. "High Life" ist Extremliteratur, die schon mit "American Psycho" oder "Fight club" verglichen wird (auch wenn das vielleicht etwas zu hoch gegriffen scheint) und gnadenlos den Finger auf die Wunde legt, wie weit manche gehen, um berühmt zu werden und abzusahnen. Sieht man ja heutzutage auch in unseren Breitengraden immer wieder im privaten Spacken-TV.  Gutes Aussehen, schöne Titten und als maximale Anforderung vielleicht noch sprechen können reicht da völlig. Intelligenz ist fehl am Platze oder gar abträglich, es ist fürs Fernsehen. Insgesamt harter Stoff mit derbem Sex und blutig-brutalen Szenen und nicht ganz zu unrecht von der Kritik gelobt wird. 

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