Samstag, 19. Mai 2012

Buchreview "Das Handwerk des Teufels"

Donald Ray Pollock. Zwei Lebensfluchten kollidieren, eine auf dem Weg in die Verdammnis, die andere aus ihr heraus. Der junge Arvin wächst in den fünfziger Jahren im heruntergekommenen Niemandsland des Mittleren Westens auf. Hier hat sich der amerikanische Traum in einen fiebrigen Albtraum verwandelt, der bevölkert wird von psychopathischen Verbrechern, korrupten Sheriffs und religiösen Fanatikern. Arvin ringt um einen Ausweg aus dieser Welt. Doch als seine Freundin vom Ortsprediger missbraucht wird und sich daraufhin erhängt, nimmt auch er das Gesetz in die eigene Hand. Zur gleichen Zeit, nur wenige Meilen entfernt, brechen die beiden Serienkiller Carl und Sandy zur Jagd auf. Sie locken arglose Tramper in ihren Wagen, um sie dort auf brutale Art und Weise umzubringen. Irgendwo in der tiefe des Hinterlandes, in jenem Grenzgebiet zwischen Zivilisation und archaischer Grausamkeit, kreuzen sie schließlich Arvins Weg. 

Die Story beginnt mit der Rückkehr von Willard, der im WKII im Pazifik-Einsatz war und Schreckliches erlebt hat, in seinen 600-Seelen-Heimatort Knockemstiff. Seine tiefgläubige Mutter hat schon Pläne für seine Zukunft gemacht, die passende Braut ausgesucht. Doch Willard heiratet stattdessen Charlotte und zieht mit ihr nach Meade, Ohio und sie bekommen einen Sohn - Arvin. Die verschmähte Herlen indes heiratet einen Wanderprediger namens Roy, der mit seinem gelähmten Bruder Theodore unterwegs ist. Theodore erträgt es nicht, ab jetzt die zweite Geige zuspielen und und intrigiert gegen Helen so sehr, dass Roy im Fieberwahn seine Frau tötet. Die beiden Prediger verschwinden flugs aus der Gegend. In der Zwischenzeit wächst Arvin normal auf, bis die Mutter erkrankt. Dann zwingt ihn sein Vater täglich an einer extra errichteten Stätte stundenlang für die Gesundung der Mutter zum Herrn zu beten, während Willard dort immer neue Blutopfer bringt. Erst sind es nur Tiere, doch dann muss auch der Besitzer des Hauses dran glauben, das sie gemietet haben. Als die Mutter trotzdem stirbt, schneidet sich Willard an der Gebetsstätte die Kehle durch und wird von Arvin gefunden, der gerade erst 10 Jahre alt ist. Im Jahre 1965 sind in der Gegend zwei Serienkiller unterwegs, Carl und Sandy, die ihre Opfer auf den Landstraßen suchen, die Tramper mitnehmen, um sie beim Sex mit Sandy zu fotografieren und dann bestialisch zu töten. Und irgendwann kommen auch sie nach Meade und es stellt sich heraus, dass Sandy die Schester des korrupten Sheriffs ist, der aber vom Treiben seiner Schwester und ihres Gatten nicht den geringsten Schimmer hat. Und mit der Zeit führen die Wege des Herren oder Das Handwerk des Teufels die handelnden Personen zusammen und es endet für viele unerfreulich.

In der von Rassismus und religiösem Fanatismus geprägten Zeit der 50-er und 60-er Jahre im Hillbilly-Land der USA, wo Eichhörnchenbraten noch ne Delikatesse ist (weil man sich nichts anderes leisten kann) ist die Hoffnungslosigkeit eher die Normlität. Dort zu existieren ist kein Leben, es ist ein Dahinvegetieren. Keine Zukunft, keine Freude oder Glück. Die Bürger in deser Hölle werden mitleidlos in ihr Schicksal getrieben, die Lehren der Vergangenheit und der Jugend bleiben an ihnen haften, sie werden wie die Generationen zuvor. Das Umfeld prägt die Menschen in dieser authentischen, kaputten Welt. Pollock braucht in seinem Buch keine effekthascherischen Szenen, um die degenerierte Szenerie im Hinterland der USA zu beschreiben und den Leser zu faszinieren und er benötigt keinen unschlagbaren Protagonisten, der alle Widrigkeiten besiegt und als großer Held aus der Geschichte hervorgeht. Einfache Menschen in einer unmenschlichen Umgebung, von denen man zu keiner so wirklich Sympathien entwickeln kann (abgesehen vielleicht von Charlotte und Arvin mit Abstrichen) genügen Pollock, um das Amerika außerhalb der Großstädte und somit außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung zu skizzieren und auf das unausweichliche Finale zuzusteuerm, das bei jedem seine Wunden hinterlässt. Der Stil des Autors ist präzise und voller Energie, ohne aber ein rasantes Tempo eines Actionthrillers aufzubauen und daher eher ein ruhiger, abgeklärter Roman über Frömmler und Psychopathen in einer Welt, wo Erziehung noch mit der Faust stattfand. Keine seiner Figuren ist ohne Makel, jeder mit Defiziten ausgestattet und im Gegensatz zu dem Amerika, das Stephen King zuletzt portätierte, ist hier das Leben im Hinterland kein Zuckerschlecken. "Das Handwerk des Teufels" ist ein tiefdüsteres Buch, das wie bei James Ellroy einen Blick auf die gerne verschwiegenen und verschleierten dunklen Seiten der USA wirft. 

Keine Kommentare: