Montag, 16. Januar 2012

Buchreview "Game"

Anders de la Motte. Als Henrik "HP" Petterson im Zug ein Handy findet, steckt er es kurzerhand ein und überlegt, wie er es zu Geld machen kann. Doch plötzlich erscheinen folgende Worte auf dem Display: WANNA PLAY A GAME? HP zögert erst, drückt dann aber auf YES. Und damit beginnt der allergrößte Nervenkitzel, den er je erlebt hat. Bis es irgendwann um sein eigenes Leben geht.


Arbeitslos, ständig pleite - so sieht das Leben von Henrik Petterson aus. Da kommt ihm der Fund gerade recht. Und als er dann das Spiel beginnt und vom Leiter auch noch Kohle in Aussicht gestellt bekommt, gibt es für ihn kein Halten mehr. Ein Riesenspaß und es gibt auch noch Geld dafür. Die ersten Aktionen sind noch leicht, mehr grober Unfug mit Sachbeschädigung denn strafrechtlich wirklich relevant. Doch je weiter er kommt, je höher er in der Rangliste aufsteigt, desto schwieriger die Missionen, wie er sie kindisch für sich selbst nennt und sich dabei vorkommt wie der beste Bond ever. Also macht er weiter und sonnt sich in der Anerkennung, die er von der anonymen Spielergemeinde für seine erfolgreichen Missetaten erhält. Selbst als die Öffentlichkeit eine seiner Aufgaben mit einem terroristischen Akt vergleicht und Schwedens Polizeiaufgebot so richtig auf den Plan ruft, lacht er noch. Nicht mehr lange allerdings. Mittlerweile wird es gefährlich und es geht tatsächlich bald um sein Leben. Währenddessen müht sich Rebecca Normen in ihrem Job als Personenschützerin nicht nur die Anerkennung ihrer Kollegen zu verdienen, sondern schlicht und einfach die BESTE von allen zu werden. Sie hat einen guten Ruf, steigt stetig in der Hierarchie auf, schleppt aber ein dunkles Geheimnis mit sich herum und kämpft gegen Mobbing am Arbeitsplatz an. Und bald sollen sich die Wege der beiden Protagonisten kreuzen.


Fangen wir mit dem Negativen an. Henrik ist mal ganz klar keiner, dem man seine Sympathien so wirklich entgegenbringen will. Ein antriebsloser Kleinkrimineller, der sich mit Diebstählen und dem Sozialstaat durcvhs Leben mogelt, kein wirkliches Interesse an einer geregelten Arbeit hat und lieber andere für sich aufkommen lässt. Zudem führt er sich die meiste Zeit auf wie ein 15-jähriger Aufmerksamkeitsjunkie in der Pubertät. Lächerlich für eine 31-jährige Hauptfigur. Er wird zu einer manipulierbaren Marionette, da er leicht zu beeinflussen ist, egoistisch daherkommt, kaum Freunde hat und sich mehr mit Internetfreundschaften denn mit dem wirklichen Leben beschäftigt. Keine Perspektive, keine Interessen, kein Antrieb - nur Spaß im Kopf und das auf Kosten anderer. Und läuft was schief, war es nie sein Verschulden. Um Ausreden ist er nie verlegen - und glaubt noch selbst dran. Seine Schwäche wird ausgenutzt, ein Profil über die Tauglichkeit erstellt, indem man seine Internetaktivitäten zu Rate zieht und dann auf seine Naivität gesetzt. Dass er sich gegen Ende des Buches zumindest ansatzweise wandelt, hilft da nicht mehr viel. Normen ist da bodenständiger, im Berufsleben verankert, aber auch von Geistern der Vergangenheit ebenso geplagt wie der Loser Henrik. So versucht der Autor den Figuren etwas Tiefe zu geben, die sie aber nicht erreichen, da alles schon zu abgenutzt ist, was die Charakterzeichnung mit irgendwelchen Vorfällen und Dramen aus der Vergangenheit angeht. Stil und Sprache scheinen für die Generation von Leuten geschaffen, die dem geschriebenen Wort nicht gerade freundschaftlich verbunden sind. Kurze, sehr knappe Sätze, eher szenige oder trendige Wortwahl mit wie von vielen skandinavischen Thrillern gewohnt etlichen englischen Einlagen. Und jetzt zum positiven Teil. Die angebotenen kleine und oberflächliche Kunde zu den Religionen Islam und Christentum sowie die heftigere Kritik an Überwachungswut und Datenspeicherung und dem Verhalten der Internetnutzer geht im Tempo des sehr flott inszenierten Romans fast unter. Das Thema ist gut gewählt, noch nicht übermäßig stapaziert, sodass man nicht ständig auf schon altbekannte Thrillerformeln stößt und die Idee mit dem Einsatz der Unbedarften für eigene Zwecke in Form eines Spiels ist nicht schlecht. Dazu ist die Geschichte mit einigen Wendungen versehen, von denen nicht jede gleich ins Auge fällt und die man als Genrevielleser schon zu Beginn erwartet. Ein flottes, leicht konsumierbares Buch, das durch die nicht so abgedroschene Handlung durchaus empfehlenswert ist, wenn man die eingangs ausführlich erwähnten Mängel und besonders den nervigen Hauptdarsteller mal ausser Acht lässt. Es ist spannend, abwechslungsreich, rasant und eingängig. Zudem kommen immer mal wieder sehr deutliche Anspielungen an Filme wie "Fight Club" oder "Der unsichtbare Dritte" von Hitchcock . Kann man sich also mal gönnen. In Schweden wurde von Anders de la Motte übrigens schon die Fortsetzung mit dem Titel "Buzz" veröffentlicht.

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