Donnerstag, 20. Oktober 2011

Buchreview "Satori"

Don Winslow. Tokio 1951. Die USA und Russland kämpfen mit allen Mitteln um die Vorherrschft in Asien. Nikolai Hel, der von der US-Regierung inhaftiert und gefoltert wurde, wird von der CIA zu einer gefährlichen Mission gezwungen. Seine Freiheit gegen den Tod des sowjetischen Botschafters in Peking. Getarnt als Waffenhändler gerät Hel in ein Netz politischer Intrigen und verfolgt dabei auch ganz eigene Ziele - Rache und den Weg zu Satori, der Erleuchtung.
Es ist die Zeit des Kommunistenhasses und die Kommunistenhatz von McCarthy zeigt isch äußerst umtriebig unmd J. Edgar stimmt dem freudig zu. In Vietnam sitzen die Franzosen (ob ihrer Kolonialherrscherattitüden ebenso beliebt wie später die USA) und in Korea kloppt sich MacArthur mit den Chinesen und Russen, die sich eigentlich ebenfalls nicht grün sind. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, einer nach hochnotpeinlichen Verhören nötigen Gesichtsoperation und einer wirklich sehr umfassenden Ausbilddung, wird Nicolai Hel in seinen Auftrag eingeweiht. Er soll einen hohen russischen Vertreter mitten in Peking liquidieren, damit die Amis es als chinesisches Attentat lancieren können, um die beiden Feinde gegeneinander auszuspielen. Zu allem Überfluss ist aber noch ein weiterer Killer in Asien recht umtriebig und die Franzosen haben natürlich ihre ganz eigenen Pläne in Vietnam, was sich noch bemerkbar machen wird. Und der eine oder andere Ami kocht denn auch noch sein eigenes Süppchen. Mitten in diesem Pulverfass muss Nicolai um sein Leben kämpfen, wird gar recht früh enttarnt, zieht das Waffengeschäft trotzdem, das er als vermeintlich französischer Händler des Todes einfädeln soll, um an sein Opfer zu kommen. Daraufhin wird er erst quer durch Peking, später durch den Dschungel Vietnams nach Saigon gehetzt, wird verraten, hat aber auch Unterstützer gegen die Vielfalt der Gegner, wobei sich so manches Motiv der jeweiligen Personen hin und wieder als gelinde Überraschung herausstellt. Und auch nicht jeder seiner Feinde gibt sich sofort als solcher zu erkennen. Abgesehen von den chinesischen Folterknechten und einem Amerikaner mit ganz eigenen Vorstellungen über Fernost-Politik.
Eric van Lustbader, Kyle Mills, Jack DuBrul. Nur ein paar Bespiele von Autoren, die sich einen gewissen guten Ruf als eigenständige Schriftsteller erarbeitet haben und dann später entweder die Rechte an einer schon bestehenden Reihe erwarben (Lustbader mit Jason Bourne) oder sich als Auftragsschreiber für Reihen von bekannten Stars der Szene (Mills für die Covert One Reihe aus dem Ludlum-Nachlass und DuBrul für Clive Cussler, wobei Letzterer seinen Chef in den Schatten stellt). Nun ist also auch Don Winslow einem solchen Ruf gefolgt und hat sich anheuern lassen, um ein Prequel zu "Shibumi" von Trevanian (Rodney William Whitaker) zu verfassen. Von Trevanian war mir bisher nur "Im Auftrag des Drachen" bekannt.Erst als Clint Eastwood-Film, später dann auch als Buch, das mich übrigens weniger begeisterte, da es irgendwie recht zäh daherkam und den trockenen Humor des Eastwoodfilms gänzlich vermissen ließ. Dennoch wird Trevanian heute noch als Koryphäe im Thrillerbereich gefeiert. Winslows Roman ist zeitgemäßer, sprachlich überschaubarer, moderner, aber er verleugnet auch nicht den Einfluss des Erfinders von Nicolai Hel. Das liegt natürlich auch darin begründet, dass er - ebenso wie die anderen Genannten - jetzt eindeutig nicht mehr an der eigenen Leistung gemessen wird, sondern sich Vergleichen mit dem Originalautor - hier Trevanian - stellen muss. Negative Kritiken sind da schon fast vorprogrammiert. Doch dieses Risikos war er sich sicher bewusst. Dafür hat er sich auf Grundlage des von Trevanian vorgegebenen älteren Protagonisten in das Japan des Jahres 1951 - Hel ist hier erst 26 Jahre alt - recherchiert. wie erwähnt, hält sich Winslow zwar an die Vorgaben von "Shibumi", bringt aber seinen eigenen Stil ein, was den Roman zu einem actionreichen und spannenden Spionagethriller macht, der schnell und schnörkellos die Lesestunden verfliegen lässt. für Amerikafreunde nicht unbedingt die wahre Pracht, da "Gottes eigenes Land" hier in seinen schlechtesten Eigenschaften vorgeführt wird. Lug, Trug und Mord zur Erreichung des Ziels sind die eingesetzten Mittel - heute vielleicht etwas subtiler eingesetzt, aber lange nicht vergangen. Lässt man das außer Acht bzw. stimmt dem zu, ist eine unterhaltsame Lektüre dabei entstanden, die nur anfangs die eine oder andere Länge aufzuweisen hat, aber die anschauliche Schilderung der Atmosphäre in den 50ern in Peking und Vietnam mit den Armeen, Spionen, Kaiser von Vietnam, Räubern, Piraten und gar korsischen Brüdern als Gangster machen das schon wett. In Vietnam kracht es dann auch gewaltig, diverse Gruppen attackieren Hel und nur mit Müh und Not kann er dem Tode entrinnen. Das Endprodukt ist somit mehr als nur ein semikompetenter Auftragsthriller in der Masse der Veröffentlichungen. Winslow hat hiermit seine aussergewöhnlichen narrativen Fähigkeiten erneut unter Beweis gestellt. Vielleicht gibt es ja sogar weitere Abenteuer mit Nicolai Hel. Der Nährboden dafür ist bereitet und die Möglichkeiten sind jedenfalls gegeben. Von mir aus also gerne, solange Winslow auch weiter als eigenständiger Autor arbeitet, denn an sein "Tage der Toten" kommt "Satori" nicht heran. Trevanian-Fans werden dem Buch möglicherweise weniger abgewinnen, doch alle anderen sollten sich davon nicht beirren lassen.

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