Sonntag, 7. August 2011

Buchreview "Am Ende der Strasse" + Bücherreport Juli

Brian Keene. Wenn das Licht erlischt, gilt es, folgende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen: Regel #1: Versorge Dich mit Lebensmitteln, solange Du noch kannst. Regel #2: Geh Deinen Nachbarn aus dem Weg, solange Du noch kannst. Regel #3: Geh niemals hinaus in die Dunkelheit.
Eigentlich sollte es ein gewöhnlicher Tag werden in Walden, Virginia. Doch als die bewohner der kelinen Stadt morgens erwachen, stellen sie fest, dass der Rest der Welt sich scheinbar in Luft aufgelöst hat: GANZ Walden ist in pechschwarze Dunkelheit gehüllt, die Telefonleitungen sind tot und das Wasser versiegt. Ein Rettungstrupp wird losgeschickt, um in der Nachbarstadt Hilfe zu holen - und verschwindet auf Nimmerwiedersehen in der Dunkelheit. Pizzalieferant Ribbie Higgins, der sich mit seiner Freundin und zwei weiteren Bewohnern des Hauses vorerst mal kiffend bei Laune hält, macht sich langsam aber dann doch Sorgen und möchte der vermeintlichen Bedrohung auf den Grund gehen. Neben der undurchdringlichen Schwärze, die den Ort umringt, der selbst eher von einer Art Abenddämmerung beherrscht wird, muss er sich aber auch der Tatsache stellen, dass die Bürger der 11.000-Seelen-Stadt, die noch im Ort sind, so nach und nach durchdrehen und die öffentliche Ordnung den Bach runtergeht. Mord, Totschlag und religiöser Fanatismus gewinnen die Überhand als sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es wohl kein Entkommen gibt. Nur der Obdachlose Dez scheint Robbie mehr sagen zu können und zumindest eine Ahnung zu haben, was hinter den unheimlichen Vorkommnissen steckt, die ihre Nachbarn zu Bestien werden lassen.
Obwohl der Roman mit nur 350 Seiten bei recht großem Schriftbild und entsprechenden Zeilenabständen recht kurz ist, hat Keene es geschafft, hier so den einen oder anderen Punkt an Gesellschafts- bzw. USA-Kritik unterzubringen. Was denn alles passieren kann, wenn sich jeder Dödel bewaffnen darf und aus heiterem Himmel eine schier ausweglose Situation entsteht, wie sich Menschen mittlerweile in der als Informationszeitalter gehypten Gegenwart nicht mehr mit ihren direkten Nachbarn oder Kollegen unterhalten, kaum noch Beziehungen zu anderen haben, obwohl sie arbeitslos sind und lieber in der realen Welt Kontakte knüpfen sollten, um sich vielleicht wieder in Lohn und Brot zu bringen, stattdessen aber tagelang vorm PC hocken und unsinnige News konsumieren/verbreiten und dann mit ihrem "Wissen" prahlen oder sich über andere User anonym zu erheben und sich als Aufmerksamkeitsjunkie übelster Form zu erweisen, da sie ansonsten niemand mehr beachten würde. Da werden mit einem Nick versehene Kunstfiguren, die sie nie gesehen haben entweder als Freunde bezeichnet oder runtergemacht, anstatt sich erstmal der eigenen - mehr oder weniger intensiv vorhandenen - Mängel bewusst zu sein. Statt Information herrscht Entfremdung und viele dieser Klientel scheint dann außerhalb der virtuellen Welt kaum noch lebensfähig zu sein. Natürlich darf auch der religiöse Aspekt, den Keene in den meisten seiner Bücher bevorzugt, nicht fehlen und so tauchen in der Story schnell die ersten auf, die sich auf Gott oder andere höhere Mächte berufen. Das tiefste Mittelalter findet im 21. Jahrhundert in Walden schnell wieder eine Heimat. Und so liegt sein Fokus auch auf der Veränderung der Menschen in Walden während dieser Drucksituation. Sehr originell kommt seine Story aber nicht daher, denn Brian Keene hat munter bei Autorenkollegen gerippt, dass man sich schon in der schriftstellerischen Asylum-Falle wähnt. Ob nun "Der Nebel" und "Die Arena" (unter anderer Vorraussetzung) von Stephen King oder eigene Werke, alles wird munter gemixt und eine einigermaßen vorhersehbare Geschichte draus gestrickt. er spielt mit den Urinstinkten der Menschen in Extremsituationen, ihrer Angst vor der Dunkelheit, die schon seit Anbeginn ihr Denken beherrscht. Natürlich versucht der Verlag weiterhin mit den Aufklebern Keene zum neuen Laymon aufzubauen, doch hier kann man nur sagen, dass Keene zwar ohne die obligatorischen Längen von Laymon auskommt, aber einen zwar gut konsumierbaren doch auch sehr schlichten und wenig bemerkenswerten Stil an den Tag legt. Wirkliche Härten oder Splatter sind kaum vorhanden und das Ende ist..... Wer Keene kennt, ahnt es schon. Insgesamt ein Horrorgeschichtchen, das mehr ein Stückwerk anderer Autoren ist und nicht viel hermacht. Schnell zu lesen und schnell zu vergessen. Geht so. Brian Keene hat mit "Die Wurmgötter" oder "Das Reich der Siqqusim" und "Kill Whitey" schon weitaus bessere Bücher abgeliefert und wird mit fortlaufender Zeit immer schwächer und gehaltloser. Vielleicht liegt es aber auch an mir, da ich nicht nur die Autoren an ihrer bisherigen Bestleistung messe, sondern so nach und nach, wenn ich mehrere Bücher desselben Verfassers konsumiert habe, immer kritischer werde und es passieren kann, dass er mich zu langweilen beginnt, wenn er nicht zwischendurch mal wieder einen richtigen Kracher abliefert, der vom gewohnten Schema abweicht (oder der vielleicht auch nicht schon vor Erscheinen in deutschen Buchregalen vom Verlag gekürzt wurde). Richard Laymon ist hier ein Paradebeispiel, den lese ich fast nur noch aus Gewohnheit oder in der Hoffnung, dass noch mal was Besonderes aus seiner Feder veröffentlicht wird. Hier könnte der Aufkleber vom Verlag auch passen. Keene ist mein neuer Laymon. Ich warte auf Besserung.
Bücherreport Juli 2011:
32. Christopher Reich. Geblendet. Thriller. Eine Lawine in den Schweizer Bergen reißt Jonathan Ransom in die Tiefe. Er überlebt, seine Frau wird für tot erklärt. Später erhält er im Hotel einen Brief, der an seine Gattin gerichtet ist. Ein schließfachschlüssel bringt ihn in den Besitz brisanter Dokumente. Ein hervorragender Thriller, der seinen Protagonisten vor schier unüberwindliche Herausforderungen stellt und ihn mit Polizei, CIA, Israelis sowie etlichen undurchsichtigen Figuren konfrontiert. ein nahezu perfektes Buch mit dem bekannten "Wem kannst Du trauen?"-Muster, aber so spannend, verwinkelt, voller Wendungen und auch Action, dass er mich sehr positiv überrascht hat. 8/10.
33. Christopher Reich. Getäuscht. Thriller. Als der Arzt Jonathan Ransom in London in ein Attentat auf den russischen Außenminister platzt, zerbricht sein Leben in Scherben, wie er es sich nach den Ereignissen in der Schweiz nicht vorstellen konnte. Die Polizei verdächtigt ihn, mit den Drahtziehern in Verbindung zu stehen. Aber er ist unschuldig und flieht. Unterdessen haben die wahren Attentäter schon ein neues Ziel ausgemacht, das Tausenden das Leben kosten würde. Wie schon der Vorgänger "Geblendet" und auch der Erstling "Das Nummernkonto" aus den späten Neunzigern hat das Buch alles, was ein wirklich ordentlicher Thriller braucht, um den Leser zu begeistern und sich zu einem wahren Kracher zu entwickeln. Reich hat gut recherchiert und ist narrativ etlichen seiner Kollegen überlegen. Trotz des einen oder anderen kleinen Mangels auch hier wieder (mit nem kleinen Bonus für die Vorgänger) eine 8/10.
34. Stephen Frey. Das Delphi-Projekt. Thriller. Connor Ashbys Leben gerät von einem moment auf den anderen aus den Fugen. Der junge Investmentbänker erhält eine geheimnisvolle E-Mail, die auf illegale Finanzgeschäfte hinweist. Kurz darauf wird seine Freundin ermordet, seine Wohnung verwüstet. Seine Nachforschungen stoßen ihn auf eine geheime Gruppe, die in Machenschaften unerhörten Ausmaßes verwickelt ist. Und er selbst ist nur eine Bauernfigur in deren Finanzschach. Irgendwie erschrecken aktuell ist dieser 2004 geschriebene Thriller, wenn man an die Finanzkrise, deren Jongleure und die Politiker denkt, die alle weitermachen als wäre nichts gewesen und stattdessen mit Steuergeldern marode Unternehmen, Staaten und unersättliche Gierhälse (auch sich selbst?) finanzieren. Komplexer, spannender Thriller, der zwar nicht ohne Kilschees auskommt und auch einen oder zwei markante Schwachpunkte aufbieten kann, aber dies durch wirklich gute Unterhaltung mit einigen Wendungen ausgleichen kann. 6/10.
35. Timothy Zahn. Black Collar-Trilogie. Military-SciFi. Sie sind die einstige Elitetruppe des menschlichen Imperiums: Die Black Collars. Doch die ehemaligen Soldaten sind müde geworden und in alle Himmelsrichtugen zerstreut. Doch dann dringt eine technisch hochgerüstete Kriegerzivilisation weit in den Herrschaftsbereich der Menschheit ein und besetzt Planet um Planet. Das Imperium steht vor dem Fall. Doch die Black Collars kehren zurück und stellen sich dem Kampf. Vom Feind besetzte Terra-Planeten, Untergrundbewegungen, Spionageaktivitäten, chemische Mittelchen gegen den Alterungsprozess oder zur Kraft- und Kampfeswillensteigerung bilden den Rahmen im 25. Jahrhundert. Einen Mangel an Action kann man dem Dreiteiler nicht unbedingt vorwerfen, aber es mangelt an Spannung und Abwechslung. Der Roman könnte auch im WKII in Frankreich spielen und Untergrundbewegungen gegen die Nazis als Hauptfiguren haben. Trotz der durchaus vorhandenen Action mit der Zeit (1100 Seiten) etwas ermüdend. Hat mich also nicht wirklich gepackt. 5/10.
36. Graham Brown. Black Sun. Thriller. Nachden Abenteuern im brasilianischen Urwald, die in der Entdeckung eines mysteriösen, Energie abstrahlenden Artefakts mündeten, finden Danielle Laidlaw und ihr Team heraus, dass auf der Welt drei weitere dieser unheimlichen Gerätschaften verborgen sind und sie müssen sie bis zum 21.12.2012 gefunden haben, da sonst das Schicksal der Menschheit besiegelt ist. Fortsetzung zu "Black Rain" mit dem derzeit unvermeidbaren Thema des Maya-Kalenders und der Vorhersage des Weltuntergangs. Schlagworte wie "der neue Michael Crichton" oder "rasante Non-Stop-Action" lassen wir mal lieber außen vor. Zu dick aufgetragene Verkaufsförderung. Im Ergebnis in schlichter Sprache simpel gestricktes Abenteuer mit einem relativ normalen Actionanteil, das sich zügig und ohne Überbeanspruchung der Hirnfunktion konsumieren lässt. Nette, unterhaltsame Fast-Food-Unterhaltung für den gedankenlosen Leseabend. Mehr nicht. Irgendwie alles schon mla dagewesen und oft auch besser. Geht so. 5/10.
37. Joseph Garber. Milliardenpoker. Wirtschaftsthriller. Scott Thatcher ist Chef von PegaSys, einem der größten Computerunternehmen der Welt. Aus heiterem Himmel erreicht ihn die Nachricht, dass PegaSys von einem weitaus kleineren Unternehmen geschluckt werden soll. Was sich zunächst wie ein Witz anhört, entpuppt sich alsbald als ernstzunehmende Drohung. 1989 verfasst und daher nicht mehr topaktuell, wie man allein an den für heutige Verhältnisse niedrigen Managergehältern ersehen kann, ist die Story aber gespickt mit humorigen Anmerkungen und subtilem Witz. Flüssig, spannend, interessant in den Winkelzügen hinter den Kulissen (Finanzierung des Deals) und somit guter Lesestoff, der ohne Krawallaction auskommt (und mir trotzdem gefallen hat). Netter Hieb gegen die Formen des westlichen, amerikanisch geprägten Kapitalismus. 7/10.
38. Steve Jackson. Der Anschlag. Thriller. In ganz London herrscht Fassungslosigkeit und Entsetzen. Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit wurde die Stadt von Attentätern heimgesucht, und zahlreiche Menschen sind bei den Bombenanschlägen ums Leben gekommen. Paul Aston, ein junger MI6-Agent heftet sich den Tätern an die Fersen. Hat nicht viel Rasanz zu bieten und das Wort fesselnd wäre hier noch geprahlt. Ein Allerweltsdoppelspiel, das kaum Überraschungen oder Wendungen zu bieten hat. Nach rund 50 Seiten ist alles klar, selbst für einen Leser, der sich nicht oft mit dem Genre befasst. Hatte zuvor noch nie von dem Autor gehört und werde mich nach diesem Werk auch nicht weiter drum bemühen. 4/10 sind noch gut gemeint.
39. R. Scott Reiss. Todesspiel. Thriller.Der brasiliansiche Leibwächter Rubens kann den tödlichen Anschlag auf seinen Arbeitgeber, den Provinzgouverneur, nicht verhindern. Als dann auch noch seine Frau ermordet wird, weiß er, dass er im Visier der Täter ist. Gemeinsam mit seiner Tochter begibt er sich auf eine halsbrecherische Flucht und sinnt auf Rache. Da meine Erwartungen an seinen Erstling "Black Monday" weit unterschritten wurden, habe ich ebendiese beim neuen Werk von R. Scott Reiss um einiges zurückgeschraubt und musste feststellen, dass dies mehr als nur gerechtfertigt war. Die erwähnte "halsbrecherische Flucht" wird schnell abgehakt und dann sein Leben im neuen Domizil geschildert, bevor es etwas temporeicher wird. Das gewählte Thema über den Schindluder mit Geld- und Sachspenden durch Regierungen und/oder Privatpersonen an Krisennationen und der Missbrauch dieser Gelder ist eigentlich sehr selten in der Spannungsliteratur und hätte einen besseren Roman verdient als das Gebotene. Heraus kam nur Massenware, die die Problematik nur anreißt und ansonsten in einen konventionellen Thriller mündet, der nebenbei die Subkultur der illegalen Einwanderer in New York beleuchtet (ziemlich klischeehaft übrigens). Konnte wie der Vorgänger nicht überzeugen. Gelesen, abgehakt - gutmütige 5/10.
40. Joseph Garber. Im Auge des Wolfs. Thriller. Jack Taft, Manager in einem großen amerikanischen Unternehmen, ist einfach ein friedfertiger Mensch. Geschäftlich in Singapur gerät er völlig ahnungslos zwischen die Fronten von Polizei und Unterwelt. Es entspinnt sich ein Kampf auf Leben und Tod. Nicht immer logisch, aber dafür ordentlich fetzig. Nicht brutal, aber dramatisch-temporeich. Vollgepackt mit rasanter Action mutiert der eigentlich zurückhaltende Managertyp mit dem äußeren eines typischen Bürohengstes stellenweise zum Rambo. Hinterlistige Intrigen und hemmungslos gierige Zeitgenossen in einem Staat, dessen Gesetze mit dem Wort rigoros noch unzureichend beschrieben sind, hetzen den armen Kerl durch die Stadt und die angrenzenden Sümpfe des eher diktatorisch geführten Landes, zu dem es sich nach dem Abzug der Briten entwickelt hat. Das Buch hätte man durchaus auch "Ein Mann wird zum Zerfetzer" nennen können. Klasse Manhuntthriller von Joseph Garber. 7/10.

Keine Kommentare: