Dienstag, 8. Juni 2010

Buchreview "Limit"

Frank Schätzing. 2025 - Bahnbrechende Technologien haben die Raumfahrt revolutioniert. In einem atemlosen Wettlauf fördern Amerikaner und Chinesen auf dem Mond Helium-3, ein element, das sämtliche Energieprobleme der Welt zu lösen verspricht. Zur selben Zeit soll Detektiv Owen Jericho in Shanghai die untergetauchte Dissidentin Yoyo ausfindig machen. Was nach Routine klingt, entwickelt sich zu einer albtraumhaften Jagd, denn die schöne Chinesin ist im Besitz streng gehüteter Geheimnisse. Die Spur führt rund um den Erdball - und zum Mond, wo eine Gruppe Weltraumtouristen eine bedrohliche Entdeckung macht. So, nun habe ich mich endlich an "Limit" gewagt. Schätzing startet seine Erzählung mit einem Weltraumunfall und lässt dann die Vorstellung der Superreichen folgen, die einen Ausflug Richtung Mond zu machen gedenken, bei denen ihnen der Reiseveranstalter großzügige Beteiligungen an seinen Projekten aus den Rippen zu leiern hofft. In der Folgezeit suhlen sich die wenigen Auserwählten in ihrer Machtfülle, dem Reichtum und Egoismus, dass man den meisten der Geldsäcke alsbald nur ein zügiges Ableben wünscht (das mit dem zügig bleibt ein Wunsch). Sie spinnen Intrigen, kontrollieren mit ihren Wirtschaftsimperien längst die Regierungen der Welt, die nur noch den Vorzeigestatus eine UNO haben und man erinnert sich als Leser durchaus an gegenwärtige Ereignisse in der Politik (Sparmaßnahmen!!!). Neben der Reise ins All kommt als zweiter Handlungsstrang die Arbeit des Detektivs, der zuert in einer Sache um einen Kinderschänderring ermittelt, danach aber für ihn unerwartet in die Mission Mond hineingezogen wird. So nach und nach wird dem Leser dann in blumigen und manchmal auch unfreiwillig komischen, aber trotzdem auflockernden Satzgebilden die Umweltbotschaft in Sachen Energiegewinnung auf's mittlerweile schon malträtierte Auge gedrückt. Bis dahin hält sich der Spannungs- ebenso wie der Actionanteil ziemlich in Grenzen. Garniert wird das Ganze mit einer kleinen Liebesgeschichte, einem Showdown nach dem anderen und vielen langwierigen Dialogen. Da wird erklärt und erläutert, geschätzt und vermutet, gestritten und gezickt, palavert und gequatscht und der eine oder andere Monolog lässt die aufgeblähten Egos der Teilnehmer hemmungslos von der Leine. Das geht so, bis der neuartige Mondaufzug endlich seine Reise antritt, die Mitgleider auf der Raumstation zur Weiterreise Richtung Erdtrabant abliefert. Ein endloses Gequake, nur unterbrochen von dem Wechsel zum Ermittler Jericho in seinem Domizil Shanghai, dessen Geschichte aber wenigstens was hermacht. Problematisch empfand ich den Wechsel von den Männeken im Mond zu Jericho und wieder zurück. Hatte man sich erst einmal in den einen Handlungsstrang richig eingelesen, wurde man schon wieder durch einen Sprung zur zweiten Story rausgerissen, hat den Lesefluss noch zusätzlich gehemmt. Insgesamt kann man bei einem Roman mit mehr als 1300 Seiten natürlich keine Einleitung von nur 50 Seiten erwarten, doch dass es dann fast das Zehnfache sein musste, war nicht gerade förderlich, sodass die Story nach einem eigentlich nicht schlechten Einstieg ziemlich versandete. Ein Bad der Langeweile, nur aufgelockert durch einige Stilblüten des Autors, die einfach zum Schmunzeln anregen. Mit der Zeit entwickeln sich aus dem Ganzen im Prinzip zwei Bücher. Buch 1 ist die Reise zum Mond mit all ihrem Gelaber und später auch Thrillerelementen, Buch 2 die Ermittlungsarbeit von Owen Jericho, die so ab Seite 500 dann auch richtig Fahrt aufnimmt und recht rasant in Szene gesetzt ist. Verfolgungsjagden mit fliegenden Motorrädern, zerballerten Lagerhallen, in Fetzen geschossene Körper, Hinterlist und Tücke gepaart mit mehreren Morden beherrschen die Szenerie auf der Erde, die von China nach Berlin und weiter in die USA und Kanada führen. Diverse Späßchen wie dem Russen, der den FC Bayern München gekauft hat (Feuchter Traum eines gebürtigen Kölners. Bevor das passiert spielt der FC Kölle in der 3. sibirischen Kälterekordliga um die weiße Eisschollentropähe mit einem gealterten Prinzen als krummbeinigen Icekeeper), die rockenden Mittdreißiger Tokio Hotel (rocken?) oder der Auftritt eines gewissen David (wie alt isser denn nu?) Bowie machen die Sache denn auch nicht unbedingt interessanter, lockern die Atmosphäre der Langeweile aber wenigstens an den richtigen Stellen auf. Ein schwer zu beurteilendes Buch, das besonders zu Beginn wirkt wie ein rezeptfreies Schlafmittel oder der Versuch, die Seiten an die Amis zu verkaufen, damit sie diese ihren Kandidaten in den Todeszellen vorlegen, um die hohen Kosten für die Hinrichtung zu sparen, die armen Kerle würden sich nämlich zu Tode langweilen. Dann folgt ein wirklich rasanter und actionreicher Mittelpart, der nicht viel zu wünschen übrig lässt. Alles vorhanden - Action, Spannung, Tempo. Hauptsächlich dem Detektiv Owen Jericho und seinen Ermittlungen geschuldet. Das letzte Drittel wird wieder etwas ruhiger und lebt eher von der Spannung und einem Showdown nach dem anderen und einer leider ziemlich flachen Auflösung. Da hatte ich mehr erwartet. Vielleicht waren auch meine Erwartungen nach "Der Schwarm" zu hoch. Viel zu lang, da wäre weniger sicher mehr gewesen. Der Autor hatte sicher seinen Spaß beim Fabulieren, wie man oft auch erkennen kann, schaffte es aber leider nicht, ihn so richtig zu vermitteln. Aber den vermeintlichen Schätzing-Hatern, die ihm inhaltslose und sinnentleerte Massenware unterstellten, sei gesagt, dass sie dann vielleicht doch lieber mal wieder einen Grisham oder den letzten Dan Brown in die Hand nehmen und auch lesen sollten, damit sie wissen, was sinnfreie Massenware ohne Inhalt ist. Kann das Buch aber selbst auch nur bedingt empfehlen. Vielleicht kommen aber Leseratten wie Shane oder SNEAK zu einem anderen Schluß. Bin gespannt. Apropos Schluß - der ist leider in der Auflösung ziemlich schlicht und banal, schon tausend mal so oder ähnlich gelesen. Und nun melde ich mich trotz noch ca. 100 wartender Bücher zwecks WM-TV-Marathon erst einmal ab.

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