Donnerstag, 5. November 2009

Buchreview "100 Stunden"

Jean Christophe Rufin. Polen, im Frühjahr 2005. Juliette, Aktivistin einer Umweltschutzgruppe, befreit Tiere aus einem Versuchslabor. Doch diese vermeintlich harmlose Aktion führt ins Herz eines Komplotts. Eine fanatische Umweltorganisation verfolgt einen mörderischen Plan. Ex-CIA-Agent Paul Matisse heftet sich an ihre Fersen. Bis er erfährt, was sie vorhaben, bleiben nur noch hundert Stunden, um die Welt zu retten. Und Juliette muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie steht. Nach dem Überall auf ein Gentechniklabor in Polen und der Freilassung der Versuchstiere, stellt Rufin erst einmal seine Protagonisten ausführlich vor - inklusive Rückblenden -, bevor die Ermittlungsarbeit beginnt und an den Tag bringt, dass mit den Tieren auch ein neuer Stamm Cholerabakterien verschwunden ist. Also wird Matisse in seiner Funktion als Arzt und Agent von einer privaten Spionageagentur im Auftrag der CIA auf die Sache angesetzt und reist zusammen mit einer Kollegin zwecks Spurensuche rund um die Welt. Natürlich haben wir es hier wieder mit zwei Exemplaren der Gattung unbesiegbar und kampferprobte Laufstegschönheit zu tun. Im Laufe der Zeit werden die Ermittlungen extrem dialoglastig und zäh, was vielleicht eher der Realität entspricht, aber dem Tempo eines Romans nicht gerade entgegenkommt. Tatsächlich passiert auf den fast 600 Seiten der Story relativ wenig. Um sich bis zum erwarteten Happy-End durchzuringen braucht man schon einiges an Durchhaltevermögen, so dialoglastig ist das Ding. Ständig wird erklärt, beraten, besprochen und wieder erklärt. Aktion ist kaum vorhanden und wenn, wird sie in aller Kürze abgehandelt oder man erzählt sich, was in der Zwischenzeit so alles passiert ist. Natürlich ist man dann irgendwann doch dahinter gekommen, dass die Radikalen Umweltschützer (so sie denn wirklich welche sind) vorhaben, mit der Cholera, die ja nur unter schlechtesten hygienischen Umständen ihr volles Potential erreicht, die Ärmsten der Armen in den Dritte-Welt-Ländern zu infizieren, um so die Überbevölkerung zu stoppen, damit die noch vorhandenen Resourcen für die reichen Länder weiterhin ausreichend sind. Speziell die französische Kritik hat den Roman in den Himmel gelobt und weit über Autoren wie Crichton oder Schätzing gestellt. Angeblich versehen mit unzähligen Wendungen und Suspense einer der besten Romane seines Genres (das ginge aber nur, wenn nur dieser eine Roman ein Genre für sich bilden würde). Verflucht dick aufgetragen, um das Werk an den Mann zu bringen. Das Thema an sich ist durchaus für ernsthafte Diskussionen zur Ökologie oder den Auswüchsen des Ökoterrorismus geeignet, daraus einen Roman zu machen, um eine größere Klientel zu erreichen, auch keine schlechte Idee, nur funktioniert es halt nicht. Klischeehafte Figuren, egomanische Helden, mit denen man absolut nicht mitfiebern kann und platte Darstellungen verschludern das gesamte Potential von Thema und Roman. Kürzt man das Buch um 200 Seiten sinnlosen Philosophierens, wäre es vielleicht empfehlenswerter, so kann man leider nur sagen, dass sich derjenige, der sich für Ökologie oder den Ökoterrorismus interessiert, lieber einem Sachbuch zuwenden sollte und wer einen Unterhaltungsroman zu lesen wünscht (und als solcher wird er ja angepriesen), ist besser beraten, einen Agenten-Arzt aus der Feder von Ludlum und seinen Co-Autoren zur Hand zu nehmen. Ein hehres Ansinnen des Autors versinkt leider im Sumpf eines schwachen Werks. Wirklich interessant sind höchstens die Quellenangaben und die Erkenntnis, dass so mancher Zeitgenosse wirklich recht drastische Ideen vorzubringen hat. Ach ja, der deutsche Titel ist auch mal wieder eine Zumutung. Woher sie den gezaubert haben, konnte sich mir auch nicht erschließen.Vielleicht haben sie ja einem Erstleser erlaubt, den Titel zu wählen und er hat einfach die Anzahl der Stunden genommen, die er dafür gebraucht hat. Wer weiß?

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