Mittwoch, 10. Juni 2009

Buchreview "1974"



David Peace: Jeanette Garland, vermisst gemeldet in Castleford, Juli 1969. Susan Ridyard, vermisst gemeldet in Rochdale, März 1972. Clare Kemplay, vermisst gemeldet in Morley am gestrigen Tag. Es ist Freitag, der 13. Dezember 1974, und Edward Dunford tritt seinen ersten Arbeitstag an. Endlich hat er den Job, den er immer wollte: Reporter bei der Evening Post. Nur weiß er noch nicht, dass er in den nächsten elf Tagen durch die Hölle gehen wird. Ein grausamer Mord wird entdeckt. Zeugen verschwinden spurlos. Und die Polizei scheint mehr zu wissen, als sie vorgibt. Als Edward herausfindet, dass die Honoratioren der Stadt in den Mordfall verwickelt sind, beginnt ein Wettlauf mit dem Tod.

Der Autorennachname ist hier garantiert nicht Programm und die Inhaltsangabe des Verlages sagt (glücklicherweise mal) nur sehr wenig darüber aus, was der Leser hier zu erwarten hat. Düstere Atmosphäre, knapper Satzbau, schnell, schnörkellos, brutal, hart, das sind die Attribute, die man dem Buch locker verpassen kann. Wieder so ein Erstling, der beeindruckt und bei dem ich durchaus hin und wieder an Charlie Huston oder Duane Louis denken musste. Dunkel und beklemmend schildert Peace die Ermittlungen von Edward Dunford in einem Mordfall, der sich zu einer ausnehmend gewalttätigen Story über Korruption in einem Geflecht der Macht entwickelt und dem Leser die volle Aufmerksamkeit abverlangt, damit er den verschiedenen Handlungssträngen und Figuren auch folgen kann. Fast ohne die gängigen Klischees von Gut und Böse zu strapazieren, baut er einen sich ständig steigernden Spannungsbogen auf, der dazu verleitet, immer weiter zu lesen - jede Pause oder Unterbrechung könnte störend wirken. Der Sumpf der Polizeibrutalität, der Folter und Todeskommandos sowie Hinterzimmerklüngeleien zeigt eine drastische Gesellschaftskritik an den Verhältnissen in Englands Norden der 70er Jahre. Durch eingestreute Song- und Filmtitel (an etliche konnte ich mich da schon noch erinnern) sowie Schlagzeilen aus der Epoche lässt er ein Gefühl für den damaligen Zeitgeist aufkommen. Sprachlich drastisch mit höchstem Erzähltempo wird die Reise des Protagonisten, der beileibe kein strahlender Held ist, ins Dunkel der Macht und seine eigenen Abgründe an den geneigten Leser gebracht - ohne hoffnung auf ein Happy-End.
Stilistisch würde ich David Peace hauptsächlich mit James Ellroy vergleichen und ich muss zugeben, dass es schon fast ein Frevel meinerseits war, erst so spät auf ihn aufmerksam zu werden. Heißt - ich werde mir die 3 Folgebücher ebenfalls zulegen. Wer schnelle, harte, brutale Thriller schätzt, die nicht den üblichen 08/15-Pfaden folgen, sollte hier unbedingt zugreifen - falls er es nicht schon getan hat. Und die üblichen Lobeshymnen der Presse oder von Autorenkollegen, die die Buchdeckel zwecks Umsatzoptimierung zieren, sind hier absolut gerechtfertigt. Endlich wieder ein Werk, das mich ohne Einschränkung begeistert hat und mich daher dazu bewog, meine Reviewpause kurz zu unterbrechen. KLASSEBUCH!!!

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Endlich,da bist du ja wieder Harry.Habe mich schon nach der nächsten Buchreview gesehnt,zu lange mußte ich mich mit NINJAS etc. rumärgern.
BTW,hört sich gut an das Buch,wenn ich mit dem etwas langatmigen 2012-Das Ende aller Zeiten fertig bin,wirds mal wieder Zeit für was friches.Da kommt so ein Erstling gerade recht.
Ansonsten wie immer...nennen sie mich SNEAK

Anonym hat gesagt…

Es heißt natürlich frisches und nicht friches!!!
SNEAK

Harry hat gesagt…

@ SNEAK. Pause musste sein. Du kämpfst also mit dem Werk von Brian D'Amato? Als ich festgestellt habe, dass es wohl als Trilogie ausgelegt sein wird, hab ich mir das Ganze aufgespart. Zudem kommt im Oktober von Steve Alten ("Meg") auch ein Buch mit dem Titel "2012". Wird wohl die nächste Zeit recht inflationär verwendet werden, das Thema. Ich selbst werde mich demnächst einem Internetthriller von Charles den Tex widmen - mal ein bißchen über Identitätsdiebstahl lernen.
Gruß
Harry

Anonym hat gesagt…

Jaja,da haben die Mayas mit 2012 ja was angerichtet-mal sehen was dahinter steckt-wie gesagt,der (Lese-)Fluß sickert so vor sich hin.
Nach dem grandiosen ersten Kapitel(ich mußte mir abends doch tatsächlich nochmal APOCALYPTO reinziehen),passieren nach der Erklärung des "Spiels"(-kratzamkopf-)nun doch recht unspektakuläre Dinge.Naja,einmal ist jedes Buch zu Ende und dann gehts munter weiter.
Der neue Fitzek ist auch schon draußen,und da ich alle anderen gelesen habe,werde ich auch diesen lesen.
Also Harry,und natürlich auch allen anderen im Film-und Bücherland,ein schönes Wochenende.Werde an diesem schon wieder ein Jahr älter,verdammt.Ich wette,das haben die Mayas nicht vorausgesehen.Ansonsten wie immer...nennen sie mich SNEAK.

Harry hat gesagt…

Hey SNEAK, kann man Dich noch beglückwünschen oder bekommst Du wie ich schon Beileidskarten?
Schönes Wochenende und frohes Feiern.
Harry

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank,Harry.
Also eigentlich, glaube ich sollte ich noch nicht soviel nörgeln,aber ich habe schon das Gefühl,daß spätestens ab morgen endgültig Schluß ist mit der "Jugend".
Aber hey,man(n) ist so alt, wie man sich fühlt.
Und solange man noch auf B-Movies, Bücher und Brüste steht, denk ich mal ist alles im Lot.
Also bis nächste Woche,
SNEAK

Shane Schofield hat gesagt…

Dann musst du dir doch sorgen machen. Denn außer Bücher fällt ja alles bei dir weg. Herzlichen Glückwunsch!