Freitag, 13. Februar 2009

Buchreview "Chefsache"

Max Barry. Zephyr Holdings ist ein typischer Großkonzern voll Intrigen, absurder Managemententscheidungen, bizarren Mitarbeiterrichtlinien und einer Firmenphilosopie, die niemand versteht. Stephen Jones, der gerade eingestellt wurde, traut sich, Fragen zustellen, die man nicht stellen darf: Was macht Zephyr überhaupt und warum? Bald gelingt es ihm ,die großen Geheimnisse des Konzerns aufzudecken.


Willkommen bei Zephyr Holdings und einer Unternehmenskultur, die Ihnen die großen Fragen zur Arbeitswelt beantworten wird: - Was hat es für Vorteile, mit seinem Chef zu schlafen anstatt mit nur einem Mitarbeiter - Welche Bezeihung wird Ihrer Karriere wirklich von Nutzen sein? - Wann ist die Anwendung von Gewalt eine angemessene Reaktion auf die Entscheidungen des Managements? - Die Firmenphilosophie ist schwammig formuliert. Ist das etwa Absicht? - Warum ist der eine reservierte Parkplatz niemals belegt? - Ist das vorhaben, sich in der Kaffeepause einen weiteren Donut zu genehmigen, nur eine Bagatelle oder ein strafbares Vergehen? - Wenn das Unternehmen eine Neuorganisation durchführt, bedeutet das, dass die letzte nur Zeit- und Geldverschwendung war? - Was macht der Führungsstab eigentlich den ganzen Tag?



Und nicht zuletzt: Warum arbeite ich überhaupt? Nachdem mich der Australier schon mit seiner perfekten Globalisierungssatire "Logoland" begeistern konnte, nimmt er nun die amerikanischen Managementmethoden zielsicher auf's Korn; und sollte jemand seinen eigenen Arbeitgeber darin erkennen, so ist das wohl nicht weiter verwunderlich, denn etliche Winkelzüge besitzen einen klaren Wiedererkennungsfaktor, da die aus Amerika bekannten menschenunwürdigen Zustände erfolgreich in die ganze Welt exportiert wurden - globalisiert eben. Man kann auch anhand der täglichen Nachrichtenmeldungen aus unserem Lande bezüglich der Versuche, Aktionäre milde zu stimmen, deutlich herauslesen und -hören, dass die Vorhaben zwecks Umstrukturierung, Rationalisierung und Konsolidierung einem bestimmten Muster folgen. Woher dies stammt? Hier wird es erläutert.
Und so führt Max Barry nun den Leser in die zynische Welt des Managements. Zu Figuren, die sich tatsächlich einbilden, über alles erhaben zu sein, zumeist mehr mit sich selbst, ihrem Status und finanziellen Wohlergehen beschäftigt sind und völlig realitätsfremd zum Beweis ihrer eigenen Daseinsberechtigung immer wieder neue Umstrukturierungsmaßnahmen wie Externalisierungen oder weiteres Outsourcing zu ersinnen, obwohl die vorhergehenden gar nicht die Zeit hatten, um greifen zu können bzw. eh nur Zeitverschwendung waren, da weder durchdacht noch erfolgreich umgesetzt. Ohne wirkliche Kenntnisse der Arbeitsabläufe im Betrieb werden Mitarbeiter unproduktiv umgesetzt, durch Bespitzelungen drangsaliert, durch überflüssige Sitzungen von der eigentlichen Arbeit abgehalten und mit Sätzen wie "Behinderte werden nicht diskriminiert, sie werden versetzt" von der Wahrnehmung ihrer Rechte fern gehalten. All dies natürlich nur zum Wohle des Unternehmens, der - verbliebenen - Mitarbeiter und selbstverständlich des Aktienkurses und der eigenen Aktienoptionen und Bonuszahlungen. Die beiden letzten Punkte werden gegenüber der Belegschaft bei den obligatorischen Rundschreiben per Intranet wohlweislich nicht erwähnt. Barry nimmt - böse und sarkastisch - die neue Unternehmenskultur auf die Schippe, zieht ihr die Maske der Integrität und Redlichkeit von der häßlichen Fratze. Jeder, der das unheimliche Glück (ich setze das Wort Glück hier absichtlich nicht in Ausrufezeichen, weil derjenige, der heute Arbeit hat, wirklich auch vom Glück gesegnet ist) hat, in einem größeren Konzern zu arbeiten, wird dieses Buch sicher mit großem Vergnügen oder bitteren Tränen der Wiedererkennung lesen. Jeder BWL-Student sollte wenigstens einmal kurz einen Blick in dieses Buch wagen. So wie der Autor den Managerrobotern den Spiegel vor die Nase hält, hoffe ich auf mehr Lesestoff von ihm. Im Vergleich zu "Logoland" fehlt hier zwar der Actionanteil und hin und wieder werden auch Klischees erfüllt, doch nichts kann den Gesamteindruck trüben. Satire pur. Eine perfekte Lektüre für jeden, der in Lohn und Brot steht (ausgenommen vielleicht der betroffene Personenkreis, da dieser wohl anderer Meinung sein dürfte).

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