Dienstag, 28. Oktober 2008

Buchreview "Der Anwalt"

Colin Harrison. Der New Yorker Anwalt Bill Wyeth ist am Ende. Einst angesehenes Mitglied der Schönen und Reichen von Manhattan, stürzt er bei einer Tragödie, bei der ein achtjähriger Junge zu Tode kommt, ins Bodenlose. Er verliert seinen hochdotierten Job, seine Familie, und schließlich auch seine Selbstachtung. Der soziale Abstieg verläuft rasant, und bald wird ein altmodisches Steakhouse zu Wyeths neuem zu Hause. Um Einlass zum (Originaltitelgebenden) Havana Room, einem geheimnisvollen Separee, zu dem nur ausgewählte Gäste und ein alter Chinese Zutritt haben, zu erlangen, muss er einem Fremden bei einem dubiosen Grundstücksgeschäft juristisch zur Seite stehen, das um Mitternacht desselben Tages abgeschlossen sein muss. Zähneknirschend willigt der Anwalt ein und bereut diesen Entschluss sehr bald. Zu spät - denn noch bevor der Havana Room sein unerhörtes Geheimnis preisgibt, gerät Bill Wyeth in einen Strudel von Mord, Erpressung und Verfolgung.


Liest sich doch recht gut. Dachte ich auch und habe mir das Werk gegönnt. Selber schuld, sag ich da nur. Da wird eine Figur als Sympathieträger aufzubauen versucht, die man eigentlich nur ablehnen kann. Ein Promianwalt mit dicken Konten, Kindermädchen mit 100.000 $ Jahresverdients, damit sich ja kein Elternteil um den Sohnemann bemühen muss, fette Penthousewohnung und eine Frau, die das Geldausgeben schätzt. Daher überlegt er sich, dass weitere Kunden/Mandanten akquiriert werden müssen, damit auch noch eine Yacht, eine Ferienwohnung in den Bergen sowie ein zweites Kindermädchen für ein mögliches zweites Kind angeschafft werden können. Er hat viel und ist nie zufrieden. Als der Typ dann durch die Tragödie abstürzt und seine Frau ihn verlässt, da sie sich ohne das zuvor entlassenen Kindermädchen " richtig arm" vorkommt und sich gleich einen finanziell potenteren Ernährer sucht, macht das auf den Leser (hier auf mich) ungefähr den Eindruck, als würde man dem Herren Ackermann das Gehalt auf 5 Millionen im Jahr kürzen. Das Mitgefühl hält sich absolut in Grenzen. Und immerhin beinhaltet dieser "Absturz" für den Herren die Möglichkeit nach Entdeckung dieses Steakhouses (in dem eine finanziell gut dastehende Klientel verkehrt, wie man später feststellen darf) sich dort täglich nicht nur mit einem Steak für die arbeitslosen Mühen des Tages zu belohnen, sondern eben diesen auch fast vollständig dort zu verbringen, da er ein Auge auf die Geschäftsführerin geworfen hat. Hey, jeden Tag Steak auswärts mit Drinks und allem möchte sich jeder als Arbeitsloser auch gönnen können und dann noch bemitleidet werden, wie arm man ja dran ist.
Und blöd ist der Kerl auch noch. Nachdem man seinem "Absturz" ins Selbstmitleid eine zeitlang folgen durfte und er sich nach einer Phase ständiger Betrunkenheit (natürlich nicht mit billigem Fusel), seiner Entdeckung des Restaurants und der Feststellung, dass es dort einen Raum gibt, zu dem nur Ausgewählte Zutritt haben und in dem es ein Geheimnis gibt, wartet man sehnsüchtig, dass endlich etwas passiert, denn bis dahin war es weder ein Thriller, noch ein halbwegs interessanter Roman. Als er dann endlich Zugang zu dem Raum unter der Bedingung bekommt, dass er die rechtliche Vertretung für einen Unbekannten übernimmt, stellt sich seine Dämlichkeit sofort heraus. Ein Geschäft (Grundsücksverkauf) innerhalb weniger Stunden ohne erforderliche Papiere und völlig unter dem üblichen Preisnivaeu abzuwickeln, sollte einem guten Anwalt genügen, um sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Da er aber versprochen hatte, um des Zugangs zum Havana Room willen die Aufgabe zu übernehmen, sei es noch verziehen. Als er dann aber auf eben jenes Grundstück gelotst wird, um eine Leiche zu beseitigen, wäre es an der Zeit gewesen, seinen Verstand einzuschalten. Tut er nicht, also bekommt er Ärger. Übrigens - das große Geheimnis des Havana Room: dort wird Fugu (in den USA verboten) serviert, diesen giftigen Kugelfisch aus asiatischen Gewässern, den man nur absolut korrekt von Profis zubereitet genießen sollte, will man den Verzehr überleben. Das war es denn auch.
Nun entwickelt sich ein leidlich spannendes Thrillergeplänkel um das Grundstück, den Käufer sowie Verkäufer, die Leiche, die Vergangenheit einzelner Personen, alles gebührlich ausgedehnt, um den Eindruck eines literarischen Kunstgriffs zu erwecken und einer Hauptperson, die bei mir nie punkten konnte und ich daher froh war, dass ich die Lektüre beendet hatte. Einziger Sympathieträger wird gerade die Figur, die man anfangs als möglichen Betrüger dargestellt bekommt. Was den angeht ist sein Schicksal wirklich tragisch, nicht wie beim titelgebenden Anwalt, der zum Happy End wieder einen Job bekommt, seine mittlerweile geläuterte Alte (ist ja wieder Geld im Haus und man kann sich wohl ein neues Kindermädchen leisten) auch wieder zurücknimmt. Empfehlen würde ich dieses Werk niemandem, der auf gute Thriller, Action oder Ähnliches steht. Das ist eher etwas für Leute, die Mammutwerke im Dramabereich ohne allzu großes Erzähltempo für ganz große Literatur halten, aber eben nichts für mich.

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